Kommentar Wahl des UN-Generalsekretärs: Der Mann ohne Eigenschaften
Ban Ki Moon wurde erneut zum UN-Generalsekretär gewählt. Das war zwar reine Formsache, die Bilanz des Südkoreaners aber ist nicht besonders gut.
E in UN-Generalsekretär sollte eigentlich ein wichtiger, wenn nicht gar ein bedeutender Mensch sein. Als oberster Chef der Vereinten Nationen übt er zwar keine direkte Macht aus, aber er kann mittels seiner Arbeit an der Fortentwicklung des UN-Apparats, durch die sorgfältige Wahl seiner Worte sowie durch die Art seines Umgangs mit den Mächtigen politische Zeichen setzen.
Dag Hammerskjöld baute die Vereinten Nationen in der Kongokrise 1960 zur Militärmacht aus, ärgerte damit die Sowjetunion wie die USA - und starb bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz. Boutros Boutros Ghali brauchte fünf Runden, um gewählt zu werden. Kofi Annan hielt historische Reden und zog sich immer wieder den Zorn der USA zu.
Und Ban Ki Moon? Seine Wiederwahl durch die UN-Vollversammlung am Dienstagabend war reine Formsache. Alle unterstützen ihn, es gibt keinen Gegenkandidaten. Das ist für ihn gut, aber für die UNO schlecht.
DOMINIC JOHNSON leitet das Auslandsressort der taz.
In die ablaufende fünfjährige Amtszeit des UN-Generalsekretärs fallen mehrere Entwicklungen, die ihn hätten zwingen müssen, Haltung zu zeigen: die Aufnahme der Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs; die Zuspitzung der internationalen Klimadebatte mit dem Zusammenbruch des Kioto-Protokolls; die internationale Finanzkrise und das Grübeln über eine neue Weltwirtschaftsarchitektur. Man kann nicht behaupten, dass Ban bei einem dieser Themen den Gang der Dinge wirklich beeinflusst hätte.
In die Geschichtsbücher wird Ban höchstens wegen Sri Lanka eingehen: Als die Regierung 2009 beim Endkampf gegen die Tamilenguerilla Zehntausende Zivilisten abschlachtete und die UN-Zentrale Informationen darüber zurückhielt und als wenige Wochen später Ban die Schlachtfelder besuchte, ohne ein Wort der Kritik zu üben - ein skandalöses Versagen, das an 1994 und das Nichteingreifen in Ruanda erinnert. Mit solchen Aktionen tut Ban Ki Moon sein Bestes, das Amt des UN-Generalsekretärs vollends überflüssig zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich