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Kommentar Volkskongress ChinaEndlich!

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Mehr Umweltschutz, weniger Wachstum: Die Führung der Volksrepublik China schlägt den richtigen Weg ein – aus reiner Not.

D as wurde auch Zeit. Chinas scheidender Premierminister Wen Jiabao kündigt zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses an, die Führung werde künftig nicht mehr einseitig auf Wachstum setzen und damit auf den Bau von noch mehr Industrieanlagen, Autos und Wolkenkratzern. Sozial- und Umweltprogrammen würden nun Priorität eingeräumt. Endlich.

Chinas Führung hat erkannt, dass dauerhaft doppelstellige Wachstumsraten nicht notwendig zu einem schönen Leben führt. Zugegeben: Hätte es das rasante Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahrzehnte nicht gegeben, wären nicht so viele Menschen der Armut entkommen - mehr als eine halbe Milliarde Menschen. Doch auch Wachstum hat Grenzen. Und die sind in der Volksrepublik mehr als überschritten.

Längst zeigen sich die negativen Folgen: Gewässer sind verseucht, kostbarer Ackerboden verbaut oder vergiftet. In den vergangenen Wochen lebten in China an einigen Tagen bis zu 800 Millionen Menschen unter einer dichten Smogdecke. Viele denken an Auswanderung – zumindest die, die es sich leisten können. Und das sind häufig jene, auf die eine funktionierende Volkswirtschaft angewiesen ist.

Bild: taz
Felix Lee

ist China-Korrespondent der taz.

Die Ankündigung der Führung, einen Gang herunter zu schalten, ist gar nicht so sehr einem größeren Umweltbewusstsein geschuldet. Die Führung handelt aus Not. Außerdem: Für eine so gigantische Volkswirtschaft sind einstellige Wachstumsraten alles andere als ein Einbruch.

Ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent für 2013 bedeutet noch immer ein Plus von fast 4 Billionen Yuan (493 Milliarden Euro). Zum Vergleich: 2010 wuchs Chinas Wirtschaft mit 10,3 Prozent doppelstellig ebenfalls um 4,1 Billionen Yuan. Das Wachstum 2013 fällt also gar nicht geringer aus als im Boomjahr 2010.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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6 Kommentare

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  • A
    aujau

    In der regierungsoffiziellen Einsicht, dass Wachstumswahn in die Irre fuehrt, ist China dem Westen sehr wohl voraus, wenn auch notgedrungen.

  • A
    autocrator

    @ Nina (06.03./00:18h):

     

    umgekehrt???

    wir???

     

    wir haben unsere umweltprobleme auch nur exportiert.

    statt des Rheins wird nun irgendein anderer fluss, eben in China oder Indien, künftig wohl in Afrika, verseucht.

     

    Die endlichen ressourcen werden weiterhin zerstört – dafür führen wir auch krieg.

    Öl, drogen, seltene erden ...

     

    die pauperisierung und prekariatisierung der mehrheit der bevölkerung auch hierzulande wird dabei billigend in kauf genommen.

    Und für das billig-T-shirt wird halt das sklavenkind in hinterindien ausgebeutet.

     

    Nur weil wir es uns "nett" gemacht haben und unsere probleme anderen aufhalsen, sind wir beileibe noch nicht "umgekehrt".

  • A
    autocrator

    Sackgasse.

    Chinas führung steckt in einer sackgasse:

     

    unvorsichtigerweise hat sie damals, bei der neudefinition des politischen hauptwiderspruchs und 7 jahre später beim Tiananmen-zwischenfall, auf den deal "wirtschaftliches fortkommen des Einzelnen als gegenleistung für den machterhalt der KP" gesetzt und dies unnötigerweise höchst bequem durch die einführung eines wirtschaftlichen urkapitalismus' und westlichen lebensstil bewerkstelligt.

     

    dabei hat Chinas nie den absprung in eine dienstleistungsgesellschaft, schon gar nicht in eine informationsgesellschaft und zweimal nicht die lösung des überbevölkerungsdrucks (dem alleine geschätzte 5 - 7 % des wirtschaftswachstums geschuldet sind) hin zu einem echten "mehrwert" geschafft.

     

    parallel erliegt die bevölkerung aber den verlockungen der bunten warenwelt und des konsums. So, wie wir im "Westen" diese ressourcenvernichtenden exzesse nicht in den griff bekommen und höchstens probleme verlagern/exportieren/überschminken, wird auch China in inhärenten probleme des kapitalismus' nicht lösen.

     

    Will die chinesische führung politiswch überleben, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als den bitteren weg bis zum bitteren ende weiterzugehen.

    Und das bedeutet massenverelendung, krieg, evtl. bürgerkrieg, umweltvernichtung, sozialabbau, belastung der nachfolgenden generationen auf jahre, jahrzehnte, teilweise jahrmillitonen (atromkraft) hinaus ...

    und all das für lächerliche weitere 50 jahre herrschaftsallüren.

  • J
    J.Syfrig

    Ich war vor 35 Jahren in China,damals waren die

    Flüsse und die Küsten schon verdreckt und die

    Luft in den grossen Städten verpestet.Ich kann mir

    vorstellen wie es jetzt aussieht.Hoffentlich haben

    die Chinesen den Mut der ganzen Welt zuzeigen,dass

    dieser Konsumwahnsinn Grenzen hat!

  • N
    Nina

    China ist nicht Weltavantgarde! Auch wir sind erst umgekehrt, als der Wachstumskarren ökologisch ziemlich im Dreck steckte. Wer alt genug ist, erinnert sich noch an den Zustand des Rheins vor 30 Jahren. China fährt seit Jahren einen sehr riskanten Kurs und hat vielleicht teilweise einfach nur Glück gehabt, dass das Kartenhaus (noch) nicht zusammengefallen ist. Wirtschaftswachstum und Devisenreserven sind nicht alles! Korruption, himmelschreiende Ungerechtigkeiten und die schnell auseinander driftende Schere zwischen Arm und Reich zerstören das Land von innen. Außerdem befinden sich vermutlich so viele faule Kredite der Banken für Staatsbetriebe im Finanzsystem, dass dies zu einer ernsthaften Gefährdung führen könnte.

  • A
    aujau

    China ist hier die Weltavantgarde, alle anderen werden folgen muessen.