Kommentar Völkermord-Urteil: Historisches Unterfangen
Der Prozess gegen den ruandischen Bürgermeister Rwabukombe vor dem Frankfurter Oberlandesgericht war ein Wagnis. Es ist geglückt.
E s war ein gewagtes Unterfangen, deutsche Richter über den Völkermord in Ruanda urteilen zu lassen. Dass der ruandische Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe jetzt vom Oberlandesgericht Frankfurt schuldig gesprochen wurde, ist allein schon deswegen ein historisches Ereignis.
Dass Rwabukombe jetzt lediglich wegen „Beihilfe“ verurteilt wurde und bei guter Führung wahrscheinlich nach weniger als sechs Jahren wieder ein freier Mann sein wird, wird im Einzelnen sicher noch zu Diskussionen führen. Es ist auf den ersten Blick unlogisch, es einerseits für erwiesen zu halten, dass der Exbürgermeister beim fraglichen Massaker von Kiziguro entgegen seiner eigenen Darstellung anwesend war und Befehle zum Töten erteilte, und andererseits seine „Tatherrschaft“ als „nicht nachweisbar“ zurückzuweisen, weswegen nur eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht komme.
Aber Fragen im Einzelnen dürfen den Blick auf das Ganze nicht verstellen. Dieser Prozess zeigt zunächst einmal, dass Täter abscheulicher Verbrechen nicht hoffen können, sich in Deutschland der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Er zeigt auch, dass Probleme bei der Beweisermittlung und der Zeugenvernehmung kein Grund sein können, einen solchen Prozess nicht zu Ende zu führen. Das hat beides über den konkreten Fall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
Und nicht zuletzt ist der Prozess eine Genugtuung für Ruandas Völkermordüberlebende. Der Senat hat ihre Aussagen ausdrücklich als „glaubhaft“ gewürdigt. Die Richter haben verstanden, dass nicht für sie selbst dieser Prozess die größte Herausforderung gewesen ist, sondern für die Menschen, die zutiefst traumatische Erlebnisse vor einem deutschen Gericht schildern mussten. Die Opfer ernst zu nehmen und am Ende den Angeklagten schuldig zu sprechen – darauf kam es in Frankfurt an, und das wurde erreicht.
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