Kommentar Verlegung des Straßenstrichs: Der eitle Mann und der Strich
Wer die Prostituierten in die Industriegebiets-Einöde abschieben möchte, wo sie gewalttätigen Freiern ungeschützt ausgeliefert sind, ignoriert die Bürgerrechte der Sexarbeiterinnen.
M arkus Schreiber ist ein eitler Mann. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass der sozialdemokratische Amtsleiter im Bezirk Hamburg-Mitte, sich zu irgendeinem Reizthema zu Wort meldet und mit ungewöhnlichen Vorschlägen Schlagzeilen macht.
Die Prostitution ist Schreiber schon lange ein Dorn im Auge. Das gipfelte voriges Jahr im Vorschlag, ganz Hamburg zum Sperrgebiet zu erklären und nur noch "Toleranzzonen" zuzulassen wie etwa im touristisch relevanten Stadtteil St. Pauli. Oder eben seine jüngste Idee: Egal wohin mit den Frauen, Hauptsache raus aus St. Georg.
Sicher: Diejenigen, die sich dort vor 15 Jahren Immobilien kauften mit dem Versprechen auf hohe Renditen durch die Umstrukturierung, wollen jetzt die Früchte sammeln - und vor der Loft-Tür eine heile Welt.
Doch in St. Georg gibt es seit 150 Jahren Prostitution - das wussten auch die Neulinge. Und die Sexarbeiterinnen, zumeist aus Osteuropa, haben einen legalen Aufenthaltsstatus, gehen einem legalisierten Dienstleistungsgewerbe nach. Wer diese Frauen in die Industriegebiets-Einöde abschieben möchte, wo sie gewalttätigen Freiern ungeschützt ausgeliefert sind, ignoriert die Bürgerrechte der Sexarbeiterinnen.
Zum Glück ist der eifrige Amtsleiter schon mehrfach gescheitert mit derartigen Ideen - auch weil die Polizei, viel besser vertraut mit dem Milieu, nicht mitspielte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn