Kommentar Urteil zu Netzgebühren: Jenseits des Strompreises
Populistisch ist, wenn die Politik nur vom Strompreis für die Kunden spricht. Die Netzzuverlässigkeit sollte uns ruhig ein paar Cent mehr wert sein. das BGH-Urteil geht in diese Richtung.
Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Der Klimawandel und die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.
Es ist - für sich genommen - ein rundum gelungenes Urteil. Denn der Bundesgerichtshof hat Vattenfall in seine Schranken gewiesen. Damit kann der Stromkonzern die Abschreibungen auf sein bestehendes Stromnetz nur noch in geringerem Maße bei der Tarifkalkulation ansetzen - die Bundesnetzagentur hat sich mit seiner Sichtweise in diesem Punkt durchgesetzt. Das ist zu begrüßen, denn das Leitungsnetz wurde größtenteils zu Monopolzeiten bereits von den Stromkunden finanziert.
In einzelnen Punkten konnte sich jedoch auch Vattenfall vor Gericht durchsetzen, übrigens ebenfalls zu Recht. So wollte die Netzagentur die Stromverluste, die im Netz auftreten, bei der Kalkulation nicht angemessen berücksichtigen. Und auch beim Neubau von Netzen stärkte das Gericht die Position der Stromwirtschaft; die oft rigide Art der Regulierung durch die Netzagentur hätte ansonsten nötige Investitionen ins Stromnetz gefährdet.
So richtig der Tenor des BGH-Urteils ist, so bedenklich ist jedoch zugleich die Debatte, die immer wieder von den Entscheidungen der Bundesnetzagentur und der Gerichte zum Energiemarkt ausgeht. Denn die meisten Menschen denken reflexartig einzig und allein daran, was die jeweiligen Beschlüsse wohl für den Strompreis bedeuten.
Dabei gibt es ein erheblich wichtigeres Thema: Wir brauchen eine Debatte über die Zuverlässigkeit der Netze. Jeder Kunde ist im Durchschnitt nur von 22 Minuten Stromausfall pro Jahr betroffen, das ist einer der niedrigsten Werte Europas. Diese Qualität zu erhalten, muss vordringliches Ziel der Politik sein. Dafür darf die Kilowattstunde auch mal einen halben Cent mehr kosten.
Doch die Politik spricht in ihrem Populismus alleine vom Strompreis. Siehe Wirtschaftsminister Glos: Als "guten Tag für den Verbraucher" pries er das Urteil gestern, weil nun die Netzentgelte ein wenig sinken. Weitergehende Analyse - Fehlanzeige. Nein, Herr Glos, es war nicht alleine deswegen ein gutes Urteil, weil an manchen Stellen Kosten gekürzt wurden, sondern weil der BGH zugleich auch Neuinvestitionen gewürdigt hat - obwohl damit Kosten verbunden sind. BERNWARD JANZING
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