Kommentar Unruhe in Thailand: Machtkampf ohne Perspektive
Ohne Rücksicht auf Verluste haben beide Lager - besser gesagt deren Eliten - gezeigt, dass es ihnen nur um Machterhalt beziehungsweise -gewinn geht. Ein Putsch oder Bürgerkrieg droht.
F ür Thailand ist es ein Déjà-vu. Straßenproteste sind mittlerweile ein vertrautes Bild, vor allem in der Hauptstadt Bangkok. Nur dass dieses Mal nicht die in Gelb gekleideten Anhänger der sogenannten Volksallianz für Demokratie, sondern deren Erzfeinde auf die Straße gehen - die in Rot gehüllten Unterstützer der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur, kurz UDD. Sie sind Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra und fordern den Rücktritt des jetzigen Regierungschefs Abhisit Vejjajiva.
Nicola Glass ist Korrespondentin der taz in Bangkok.
Man kann darüber streiten, was schlimmer ist für die Wirtschaft und für die Tourismusbranche in Thailand: die Besetzung der Flughäfen Ende 2008 durch die "Gelben" - der Volksallianz für Demokratie - oder die Stürmung des Asean-Gipfels am vergangenen Wochenende durch die "Roten", der UDD. Fest steht nur: Beide Seiten beschädigen das Land schwer.
Ohne Rücksicht auf Verluste haben beide Lager - besser gesagt deren Eliten - gezeigt, dass es ihnen nur um Machterhalt beziehungsweise Machtgewinn geht. Das zeigt sich vor allem daran, dass der geschasste Thaksin Shinawatra seine Anhänger stets aufs Neue per Videobotschaft anheizt und offen zur Revolution aufruft und eine Lösung über Verhandlungen ausschließt.
Die Folge: Thailand wird sich in diesem internen Machtkampf zerreiben, politische Stabilität rückt in weite Ferne. Zumal der junge Premier Abhisit in dieser Krise äußerst blass aussieht und in Kauf nehmen muss, dass sein Land immer mehr an Gesicht verliert. Die brisante Lage könnte nur entschärft werden, wenn beide Lager sich kompromissbereit zeigen. Aber davon sind diese meilenweit entfernt; zu aufgestachelt ist die Stimmung. Ein Mediator müsste eingeschaltet werden, einer, dem beide Seiten vertrauen können. Doch wie jemanden finden angesichts der Tatsache, dass sich der gesellschaftliche Riss durch die gesamte Gesellschaft zieht? Beobachter sprechen längst von der Möglichkeit eines neuen Putschs oder Ausbruchs eines Bürgerkriegs. Beide Szenarien sind denkbar. Leider.
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