piwik no script img

Kommentar UnistreiksProteste mit neuen Perspektiven

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Wie alle Winterproteste der letzten zwanzig Jahre dürften auch diese spätestens Weihnachten enden – nach der Feiertagsmast bei Mama daheim ist noch jeder Aktionismus erloschen.

W ie, schon wieder Studierenden-Proteste? Haben die nicht erst im Juni? Genau. Doch der erneut anschwellende Unmut ist eben gerade kein Zeichen dafür, dass den Studierenden offenbar doch mehr Zeit für Flausen bleibt, als sie in ihrer Klage über die neuen Studienabschlüsse stets behaupten.

Die Studenten haben vielmehr begriffen, dass ihre Aktionen vom Sommer nicht nur ignoriert wurden, sondern dass ihre Situation unter der neuen Bundesregierung sogar noch schlechter zu werden droht. Denn die schwarz-gelben Steuergeschenke werden dafür sorgen, dass den Bundesländern schlicht das Geld für ihre Universitäten fehlt.

Die Lippenbekenntnisse der Ministerpräsidenten, die stets behaupten, alles Denkbare für ihre Hochschulen zu tun, werden an Verlogenheit nur noch übertroffen von der Ansage von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, dass doch die Länder jetzt bloß die Studiengänge zu entschlacken brauchten.

Bild: privat

Ulrike Winkelmann ist Parlamentskorrespondentin der taz.

Wie alle Winterproteste der letzten zwanzig Jahre dürften auch diese spätestens Weihnachten enden – nach der Feiertagsmast bei Mama daheim ist noch jeder Aktionismus erloschen. Doch bergen ja gerade die Hochschulreformen, gegen die sich die aktuellen Unibesetzungen richten, auch eine neue Chance auf Erfolg - wahrscheinlich ihre größte.

Denn zusammen mit der Einführung der neuen Studienabschlüsse haben die meisten Universitäten auch mehr Autonomie gewonnen – sowohl was die Verteilung ihrer Gelder als auch was die Umsetzung der Reformen angeht. Streiks in der Vergangenheit hatten stets nur einen schwer greifbaren Gegner in irgendeinem Ministerium. Unipräsidenten standen achselzuckend in der Gegend herum.

Die Studierenden heute müssen sich natürlich gegen die bildungspolitische Heuchelei von Schavan und Co wenden. Doch die neue Hochschulautonomie gibt ihnen zudem die Möglichkeit, ihre eigene Universitätsleitung zum Handeln zu zwingen – oder deren Untätigkeit bloßzustellen. Dafür langt die Zeit bis Weihnachten allemal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • J
    Jürgen

    Das mit der Hochschulautonomie ist ja gut und recht und sollte von den einzelnen Unis auch dringend genutzt werden um Bachelor und Master in vernünftige Bahnen zu lenken, aber die Finanzautonomie zu erwähnen ist für Studierende wie mich blanker Zynismus. Hier in BaWü sind die Hochschulen gezwungen sich ihren Haushalt von 2007-2014 auf dem Niveau von 2007 einfrieren zu lassen...andernfalls würde wohl noch gekürzt. Rechnet man hier noch steigende Studentenzahlen und Inflation dazu und berücksichtigt, dass die finanzielle Lage der meisten Unis bereits 2007 eine Katastrophe war, verwalten die Hochschulen nur noch den Mangel. Selbst wenn der Rektor den Studenten gegenüber aufgeschlossen ist, sind ihm finanziell die Hände gebunden...

  • R
    RedDevil

    Zitat:"

    Die Studierenden heute müssen sich natürlich gegen die bildungspolitische Heuchelei von Schavan und Co wenden. Doch die neue Hochschulautonomie gibt ihnen zudem die Möglichkeit, ihre eigene Universitätsleitung zum Handeln zu zwingen – oder deren Untätigkeit bloßzustellen. Dafür langt die Zeit bis Weihnachten"

     

    oder anders gesagt jede Hochschule kann jetzt machen was sie will und wir sind die Arschgeigen des Jahrzehnts

  • S
    Siegfried

    "Monatelang hörte man nichts, jetzt aber soll die Nachfolge von Uni-Chefin Monika Auweter-Kurtz ganz schnell gewählt werden. Am 19. November soll es eine Kandidatenanhörung im Akademischen Senat (AS) geben. Sechs Tage später schon soll der neue Uni-Chef vom Hochschulrat gewählt werden.

    Wer dies sein wird, ob es einen oder mehrere Kandidaten gibt, darüber schweigt Hochschulrats-Chef Albrecht Wagner. Die Information der taz, es handle sich um den Berliner FU-Präsidenten Dieter Lenzen, hat er weder bestätigt noch dementiert. Die Kandidatenwahl steht unter Geheimhaltung. Die Mitglieder der Findungskommission dürfen nicht einmal über das formale Verfahren sprechen." -Hamburg nur mal so als Beispiel.-

    (http://www.taz.de/regional/nord/hamburg/artikel/1/geheimnis-um-uni-wahl/)

    Aber klar doch, die Zeit reicht bis Weihnachten und wir bedienen lieber platte Klischees vom StudentenIn, der die sich letztlich doch bei Mama den Bauch voll schlägt und dann deshalb der Protest erlahmt. Frei nach Brecht: erst kommt das Fressen und dann die Moral, was?! -Der würde sich im Grabe drehen und ein wütend schönes Gedicht zu den Verhältnissen schreiben.

    Sie sollten bei Springer anheuern oder in der PR Abteilung der FDP oder CDU. Und für die taz wieder mal peinlich!

  • GC
    gerd coelfen

    auch wenn frau winkelmann zu denen gehört, die früher gern über weihnachten zu mami fuhren , um sich mästen zu lassen: zwischen uni-streik und weihnachten existiert kein zusammenhang.

    der letzte relevante studentinnenstreik von 1988/89,der nicht nur eigene streik- und lernformen entwickelte, sondern dem staat auch zugeständnisse,z.b. in form von geld, abtrotzte, war frühestens im februar 89 zu ende, viele projekte dauerten noch bis nach der maueröffnung an ( z.b. autonome seminare ).

    die autorin hat die gleiche tumbe auffassung wie

    manch verantwortungsträger aus der damaligen zeit

    und biedert sich bei leuten an, denen sie eine ähnliche schlichtheit unterstellt.

    der eine oder andere dachte vielleicht " laßt die lieben kleinen mal über weihnachten nach hause, dann sieht die welt wieder anders aus".in berlin gab es einen unimut-congress mit europaweiter beteiligung (einfach mal in der redaktion nachfragen, vielleicht kennt ja noch wer jemanden, der einen kennt..), es tagten an der fu der besetzerrat und der inhaltsrat, ach ja, und in bonn der sicherheitsrat- und zwar wegen der studenten, und alles nach weihnachten.

  • ML
    Marie Lefebvre

    erstmal ist es erfreulich, dass die taz die frische bewegung beachtet und über besetzungen und forderungen berichtet.

    leider zeichnet sich die berichterstattung der taz in fragen universitärer bildung und studentischer aktion meist durch eine form des bildungsbürgerlichen pessimismus aus, der weit hinter den potenzialen der entwicklung an den unis zurückbleibt und den wandel des widerstands in richtung einer zwar organisierten, aber wenig strukturierten bewegung, deren gründe nur schwer zu erkennen sind, kaum wahrnimmt.

    die vorstellung, dass die 'mast' am weihnachtlich gut gedeckten tisch den widerstand zum erliegen bringen wird, zeugt von einem wenig politisch orientierten blick aufs geschehen und von einem studierendenbild, das in dieser form aus der elfenbeinernen edelfeder abgehobener spießbürgerkollegen stammen könnte. wenn das private politisch oder wenigstens politisch wirksam ist, dann muss ein kommentar wie der vorliegende, wenn er einen geltungsanspruch behaupten will, sich auch mit den anderen lebensformen beschäftigen, die sich zeigen, wenn man pessimismus und weihnachtsgänse beiseite schiebt.