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Kommentar Überführter GuttenbergWas für ein Ehrenmann

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Kaum wird Guttenberg vorsätzlicher Betrug nachgewiesen, schiebt er die Schuld auf andere. Die Familie habe zu viel Erwartungsdruck aufgebaut. Ein Ehrenmann reagiert so nicht.

K arl-Theodor zu Guttenberg ist von allen politischen Ämtern zurückgetreten und hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Warum also noch ein Wort darüber verlieren, dass die Universität Bayreuth in ihrem Abschlussbericht jetzt zu dem wenig überraschenden Ergebnis kommt, er habe die Prüfungskommission bei Abfassung seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht?

Weil es nun eben amtlich ist. Vor allem aber deshalb, weil er noch immer - wenn auch außer Diensten - einer der beliebtesten Politiker der Republik ist, und weil der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erst kürzlich treuherzig verkündete, er rechne mit einer Rückkehr von Guttenberg in die Politik.

Hoffentlich irrt er sich. Nichts gegen die Resozialisierung von Betrügern, aber ein gewisses Unrechtsbewusstsein ist dafür Voraussetzung. Guttenberg hat eine mündliche Befragung der Untersuchungskommission zu den Plagiatsvorwürfen abgelehnt.

Bild: taz

BETTINA GAUS ist politische Korrespondentin der taz.

In einer schriftlichen Stellungnahme rechtfertigte er sich erneut mit den Hinweis auf vielfältige Belastungen. Außerdem machte er die Erwartungshaltung seiner Familie mitverantwortlich. Diese sei davon ausgegangen, dass er Anforderungen erfolgreich bewältige. Was für ein Ehrenmann. Noch wenn ihm Betrug nachgewiesen wird, schiebt er die Schuld auf andere.

Das tut er ohnehin gern. Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr, und Staatssekretär Peter Wichert wurden Ende 2009 von ihren Aufgaben entbunden, weil sie angeblich Informationen im Zusammenhang mit einem Luftangriff bei Kundus zurückgehalten hatten. Sie haben die Vorwürfe bestritten. Ob die beiden ehrlich sind, weiß man nicht. Aber man weiß inzwischen, dass Guttenberg lügt, wenn er meint, dass ihm das nützt. Vielleicht wäre es an der Zeit für eine Ehrenrettung der Sündenböcke.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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16 Kommentare

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  • S
    Steffi

    "Nichts gegen die Resozialisierung von Betrügern" - sehr gelungene Wortwahl *grins

  • M
    M_M_S

    Ich schätze, je mehr die Presse ihn niederschreibt umso glanzvoller wird sein Comeback. Inzwischen empfinden das viele Menschen als Nachtreten und auch der Bericht der Uni, der nur Guttenberg zum Sündenbock macht, wird die Kluft zwischen Otto-Normal-Verbraucher und Wissenschaft eher vergrößern.

     

    Mit Guttenberg ist das ähnlich wie mit Sarrazin, alles Niedermachen wird am Ende nichts nützen, weil ein großer Teil des Volkes anders empfindet und denkt.

  • MS
    Mehr Schein als Sein

    Ein Glück, dass sich das Blatt langsam wendet. Schön, dass Frau Gaus endlich mal Tacheles redet und öffentlich findet, dass Guttenberg sich wie ein sich gut verkaufter Ehrenmann darstellt, der sich aber höchstens als Attrappe seiner Eitelkeit und seines Selbstmitleids entpuppt. Lässt man die Kirche im Dorf, so ist Guttenberg einer ernthaften Persönlichkeitsstörung erlegen im Stil von Felix Krull. Zusammengefasst: Mehr Schein als Sein. That´s all. Nächstes Thema.

  • SJ
    Silvia Janta

    "Außen Hui, innen Pfui"

     

    Dass Ehrenworte politischer Natur zum Machterhalt leichtfertig dahingesagt werden, wissen wir längst, nun beobachten wir, dass die "akademische Gradwanderung" der juvenilen wie adligen Politikone auf schwierigem Terrain in den Abgrund der eigenen Ansprüche hinabführt.

    Die Fassade des Hoffnungsträgers bröckelte täglich ein Stück mehr, offenbarte eine Maske, die einen überfordeten und karrieregeilen Narzissten verbirgt, der selbst bis zum Halse in den styxchen Gewässern seiner Allmachtsträume stehend, die Chuzpe hat, die Schuld seines Versagens auf die eigene Familie zu schieben.

    Diesem Mann ohne Rückgrat gelingt wohl kaum eine Rückkehr in die Arena der politischen Eitelkeiten, zumal er jetzt erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren hat.

  • L
    likewise

    Haben Sie doch Mitleid mit dem armen Kerl! Karl-Theo ist einfach nur noch genervt. Schon seinen albernen Adelstitel hat ihm doch schon seine Familie ihm aufgezwungen, ohne ihn zu fragen. Damit hat das ganze Elend angefangen. Eigentlich hätte er doch lieber Jammervoll geheißen, hätt Minipli getragen und wäre Gabelstapelfahrer oder Zitronenfalter geworden. Das hätt er gewollt. Ging aber bei dem Namen nich mehr

  • V
    vic

    Zumal Frau Koch-Mehrin zeigt, wie man mit so einer Situation auch umgehen kann. Sie ist von ihren Ämtern zurückgetreten. "Um Schaden von ihrer Familie abzuwenden",

    (den sie ihr bereits zufügte)

  • B
    Bitbändiger

    Fast noch schlimmer als der nunmehr "amtliche" Betrug ist das fortgesetzte uneinsichtige und von weinerlichem Selbstmitleid triefende Verhalten des Delinquenten: Die Belastung "als Familienvater" und durch die Übernahme neuer beruflicher Tätigkeiten und politischer Ämter (Zitat: SPIEGEL-Online) (welche übrigens?) dürfte von manchem Doktoranden, der darauf angewiesen ist, neben seiner Dissertation auch noch für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, als Verhöhnung empfunden werden. Von Anfang an - und jetzt erst recht - wirkt der Nations- und Medienliebling mit seinen peinlichen Rechtfertigungsversuchen wie ein mäßig intelligenter, ertappter Schuljunge, der sich immer tiefer reinreitet.

     

    Dass ein Herr Seehofer immer noch in Nibelungentreue verkündet, dem stammelnden Betrüger ständen die Türen für eine politische Rückkehr weit offen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die moralische und intellektuelle Qualität an der Spitze der CSU. Gibt es eigentlich noch so etwas wie "Ehre" und "Integrität"?

  • DD
    Dietrich Daub

    Hallo Bettina Gaus, hallo alle taz-Leser,

    Herr zu Guttenberg kann einem nur noch leid tun. Er, die (ehemalige?) "Lichtgestalt" der bundesdeutschen Politszene, kann´s nicht lassen. Dass er noch immer

    seine Schutzbehauptungen ernsthaft verkündet, ohne rot zu werden, mögen manche als eine beachtliche Leistung ansehen, ich meine: Langsam wird es sehr, sehr peinlich. Schorschi Schnabbelschnut (südhessischer Filosof) würde sagen: Liehe hobbe kurze Boa/ä seun nemmä groß, nur noch kloa.

    Peinlich ist aber nicht nur der Freiherr, befremdlich ist, war auch das Verhalten seiner Doktorväter (summa cum Laude).Über "Resozialisierungsbemühungen" der CSU-Jubler kann man/frau sich ebenfalls nur wundern, offensichtlich müssen sie unter der Droge Guttenberg-Anbetung stehen, sie muss verdammt wirksam sein.

    Viele Grüße an Bettina Gaus und alle Leser, Dietrich Daub.

  • BL
    Bodo Löffler

    Danke für diesen Artikel. Das war überfällig.

    Hätte ich gerne auch in anderen Tageszeitungen gelesen.

    Es ist ein Treppenwitz der (Welt)Geschichte, dass gerade dieser (Ehren)Mann dem Wehrdienst abgeschafft hat.

    Bodo Löffler

    Offenburg

  • H
    harry

    Die Begründung des Herrn zu G. ist eine Beleidigung für alle, die redlich und unter persönlichen wie wirtschaftlichen Entbehrungen Ihre Doktorarbeiten im Schweisse ihres Angesichts geschrieben habe; und dies meist noch unter wesentlich weniger privilegierten Grundvoraussetzungen.

  • GN
    Graf Nitz

    Langsam wird es ja unübersichtlich.

     

    Ist, aus der Sicht der Guten Linken, er denn ein Ehrenmann? Neuerdings? Und nicht nur ein gegelter priveligierter Streber? Wäre er letzteres, so dürfte er sich ja auch so verhalten wie jetzt.

     

    Als nächstes regt sich jemand darüber auf, das Hitler AUCH NOCH ständig auf Behindertenparkplätzen geparkt hat.

  • AW
    Adolf-Lorenz Werner

    Was für ein Kommentar!? Wie kann Guttenberg ein

    Betrüger sein, wo es nichts zu betrügen gibt?

    Eine Doktorarbeit ist nun mal nichts, aber auch

    gar nichts wert. Das gilt für alle in den Rechts-

    wissenschaften erstellten Doktorarbeiten. Wo kein

    Wert ist, kann ich auch nicht betrügen, oder?

    Also hören Sie auf, den Guttenberg durch den

    Dreck zu ziehen, denn nichts anderes wollen Sie!

  • S
    schlechtenberg

    guter artikel :)

    weiter so...

  • DN
    Dr No

    Guter Kommentar, Fr. Gaus! Ein verglühter Stern, der als Bundesminister gnaden- und rücksichtsloslos mit anderen Menschen zu seinem öffentlichen Vorteil verfuhr (General Schneiderhahn, Sts Dr. Wichert, Kapitän z.S. Schatz), der in seinem Leben vieles mehr oder weniger überlegt anfing, aber wenig davon zielführend durchdachte bzw. verfolgte (vgl. unbeendete jur. Ausbildung, Bw-Reform, Wehrpflichtaussetzung), und der als formal Erwachsener die Verantwortung für gravierendes, vorsätzliches und strafrechtlich relevantes Fehlverhalten auf Erwartungen der Familie (!!) und frei gewählte Überlastung schiebt, der sollte nur eines: sich schämen! Aber dieses unreife Verhalten fügt sich nahtlos zu dem falschen Ehrenwort des "Ehrenmanns" im Promotionsverfahren.

  • M
    Matze

    Der Taz fehlt hier m.E. die politische Klarsicht.

     

    Die Offenbarung des falschen Familien-Ideals war vielmehr zu begrüssen, zumal von einem Herrn zu Guttenberg.

     

    Alle Schuld im Individuum zu lokalisieren, ist das doch die heutige Ideologie,

    über sich alle von links bis rechts einig zu sein scheinen.

  • M
    Michael

    Was ist schlimmer ? Die Verantwortung auf die verantwortungslose Familie abzuschieben, oder endlich die Verantwortung auf den unverantwortlichen Ghostwriter abzuschieben ? Vielleicht ist der Unterschied auch nur ein juristischer ...