Kommentar US-Präsidentenwahl: Nabelschau einer Großmacht
Dieses Mal war nicht Mitt Romney, sondern Barack Obama besser. Aber Obamas Politik, zumal seine Außenpolitik, gibt keinen Anlass zur Hoffnung.
J a, Präsident Barack Obama hat diese letzte der drei Fernsehdebatten mit seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney gewonnen. Er war aggressiv, attackierte Romneys diverse Positionswechsel und verteidigte die Außenpolitik seiner Regierung. Romney seinerseits schaffte es, leidlich auszusehen wie ein Oberkommandierender, er brachte auch keine Länder oder Kriege durcheinander und ein Lapsus wie in der zweiten Debatte über Obamas Äußerungen zu Benghazi widerfuhr ihm auch nicht.
Dass er Syrien als „Irans Zugang zum Meer“ verortete – Schwamm drüber. Was er allerdings nicht vermochte: Außer immer wieder in alberner Manier zu betonen, er wolle ein „starkes Amerika“, konnte er so gut wie keinen Punkt benennen, in dem er wirklich eine andere Außenpolitik verfolgen würde als Obama – nicht in Punkto Iran, wo er schärfere Sanktionen forderte, an denen auch die derzeitige Regierung arbeitet, nicht in Punkto Syrien, wo auch Romney keine direkte militärische Einmischung der USA wünscht, eine Flugverbotszone sogar explizit ausschloss. Nichts.
Im Umkehrschluss bestätigt das allerdings alle Kritik an Obamas Außenpolitik der letzten vier Jahre: Sie ist verflixt konservativ. Obama hat es zwar den öffentlichen Tonfall verändert, in der Substanz aber nicht viel.
Seine Rechnung geht auf: Der völkerrechtlich mindestens bedenkliche, exzessiv ausgedehnte Einsatz von Drohnen verschafft ihm innenpolitisch Luft. Die Todeslisten, die er wöchentlich durchsieht, geben ihm das Image von Stärke, die Aufrechterhaltung von Guantánamo (kein Thema in der Debatte), nehmen ihm nur wenige übel – und auch sie werden ihn wieder wählen.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Obama fehlt jede Vision
Die außenpolitischen Debatten des US-Wahlkampfes sind für außenpolitisch interessierte Menschen in anderen Teilen der Welt ein einziges Desaster. Kein Kandidat tritt für Politikschritte ein, die man sich von den USA wünschen würde, ob das nun energischere Schritte gegen den Klimawandel wäre, ein Ende der für die lateinamerikanischen Gesellschaften so verheerenden Agrarpolitik, ein neuer Anlauf zur Lösung des Nahostkonflikts.
Obama, dem zumindest noch viele unterstellen, dass er eigentlich solche Dinge tun würde, wenn er könnte (warum eigentlich), sagt davon nichts, um sich nicht angreifbar zu machen. Romney sagt nichts davon, weil er das auch gar nicht will.
Was also bleibt: Vereinigte Staaten, die ihre Weltmachtposition immer mehr nur aus ihrer militärischen Stärke beziehen, ihre eigenen ökonomischen Interessen vertreten und zur Lösung internationaler Probleme viel zu wenig beitragen, sofern sie sie nicht selbst schaffen.
Und das Gefühl, dass es immerhin noch besser ist, einen moderat konservativen Außenpolitiker Obama im Weißen Haus zu haben als den Republikaner Mitt Romney, mit dem die gesamte außenpolitische Clique aus Bush-Zeiten wieder an die Macht zurück käme.
Ab jetzt siegt das bessere Team
Im Wahlkampf dürfte diese letzte Debatte nicht mehr sehr viel verändert haben. Zwar geben adhoc-Umfragen Obama den Sieg, und das ist anhand eines annähernden Gleichstands zwischen beiden Kandidaten in den aktuellen Umfragen ganz gut für ihn.
Letztlich aber kommt es jetzt nur noch darauf an, wer in den inzwischen verbliebenen acht umkämpften Bundesstaaten die bessere Organisation hat, um seine potenziellen WählerInnen auch wirklich an die Wahlmaschinen zu bringen.
Für die USA sind diese Wahlen wichtig: Mit Romney an der Spitze gäbe es nicht einmal den Hauch einer Chance, den immensen Reformstau jemals aufzulösen.
Für den Rest der Welt wäre es beruhigend zu wissen, dass da mit Obama jemand im Weißen Haus sitzt, der die Existenz von globalen Bedrohungen wie dem Klimawandel wenigstens nicht leugnet – auch wenn sich mit ihm sonst keine großen Hoffnungen mehr verbinden.
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