Kommentar US-Konjunkturpaket: Bis zum ideologischen K. o.
Obama wollte jenseits von Parteipolitik regieren. Bei der ersten großen Abstimmung im Repräsentantenhaus suchen die Republikaner jedoch die Konfrontation: Sie wollen kämpfen.
W ie klang das noch mal in den flammenden Wahlkampfreden von Barack Obama? Es gibt kein demokratisches und kein republikanisches Amerika, sagte er sinngemäß, sondern nur die Vereinigten Staaten von Amerika. Nur eine Woche nach seinem Amtsantritt sieht das bereits wie ein frommer Wunsch aus – und der Graben zwischen den ideologischen Lagern ist so tief wie eh und je.
Adrienne Woltersdorf ist taz-Korrespondentin in den USA.
Denn das Repräsentantenhaus hat zwar den Gesetzentwurf zur Wirtschaftssanierung angenommen und damit dem neuen Präsidenten einen ersten großen Sieg beschert – aber es ist ein Pyrrhussieg. Nicht ein einziger Politiker der Opposition stimmte für das Wirtschaftspaket – das größte je am Stück durch den US-Kongress gedrückte Gesetzgebungsknäuel.
Es ist ein schlechtes Zeichen für einen Präsidenten, der sich eigens am Dienstag zu den Republikanern begab, sich ihre Einwände anhörte, Kompromisse in Aussicht stellte – und nun so harsch abgewatscht wurde. Schließlich ging es nicht um die traditionell explosiven Glaubensthemen, sondern darum, die dramatische Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen, die Millionen von Bürgern in die Armut zu drängen droht. Zwar besteht noch Hoffnung, dass kommende Woche im Senat mehr Vernunft unter der Opposition walten wird, doch das Signal vom Mittwoch ist unübersehbar eine Kampfansage der Konservativen. Streitpunkt ist – das war abzusehen – die Rolle des Staates beim Lösen der Krise. Während die Demokraten eine konstruktive Rolle der Regierung fordern, bestehen die Republikaner auf ihrem Lieblingsinstrument, den Steuersenkungen.
Dass diese in acht Bush-Jahren zu ebenjener Notlage kräftig beitrugen, in der sich die Unter- und Mittelschichten der USA nun befinden, das bringt Konservative nicht aus der Spur. Hinter ihrer Blockade steckt mehr als nur die Steuerdiskussion. Sie suchen den ideologischen K.-o.-Kampf. Ihre Angst: Haben die Demokraten Erfolg, ist der neoliberale Republikanismus für Jahrzehnte diskreditiert. Obama muss sich daher auf eine Opposition einstellen, die weder pragmatisch noch kooperativ sein will, sondern entschlossen ist, für ihre Ideologie bis zum Äußersten zu kämpfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin