piwik no script img

Kommentar US-DatenspionageDie saure Milch der Dienste

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Mit geklauten Informationen hat der US-Geheimdienst möglicherweise Attentate verhindert. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel.

H eute machen wir eine Gedankenübung. Wir stellen uns einmal vor, wir hätten einen netten Nachbarn, mit dem wir oft spazieren gehen. Wenn uns etwas Milch fehlt, dann können wir bei ihm klingeln. Und wenn wir zu viele Gäste haben, hilft er mit Stühlen aus, damit alle Platz finden.

Man kann das ja gar nicht genügend loben, so ein freundschaftliches Verhältnis. Nun fragen wir mal: Wollen wir seine Milch auch dann noch haben, wenn wir wissen, dass er sie immer bei anderen klaut? Und wem dürfte der Nachbar sie denn gerade noch so klauen, damit wir sie unseren Gästen anbieten? Was also sind die moralischen Maßstäbe, die wir anlegen müssen, um ein freundschaftliches Verhältnis mit Leben zu füllen?

Staatentechnisch ist das ja nicht einfach. Wenn es um die harten Sachen ging, etwa um konkrete Hinweise auf mögliche Terrorgefahren, dann haben deutsche Behörden nach allem was man weiß in der Vergangenheit immer wieder von der Kenntnis US-amerikanischer Sicherheitsbehörden wie der NSA profitiert. Die „befreundeten Dienste“ schickten Hinweise ­ und auch deshalb konnte das ein oder andere geplante Attentat wie das der sogenannten Sauerland-Gruppe vermieden werden. Sagen zumindest Politiker. Das war doch ganz nett, eigentlich.

Martin Kaul

ist taz-Redakteur für Politik von unten und twittert unter @martinkaul.

Eines war aber auch immer klar: Die Geschenke waren geklaut. Das ist das Wesen nachrichtendienstlicher Arbeit. Für diese Arbeit gelten gesetzliche und moralische Abwägungsgebote. Wie stark darf der Eingriff sein, im Verhältnis zum Nutzen? Das Ausmaß der nun bekannt gewordenen globalen Kommunikationsausforschung wirft diese Frage neu auf. Denn die Datensammlung der USA berührt unmittelbar auch die Grundrechte anderer Bürger weltweit.

Wenn der deutsche Verfassungsschutz von diesen Programmen keinen Schimmer hatte, dann ist er seiner Aufgabe, wieder einmal, nicht gerecht geworden. Denn verfassungsmäßig soll er ja geschützte Rechte deutscher Bürger zu wahren. Der Grund dieser Blindheit ist ein etwas zu freundschaftliches Verhältnis, das keine eigenen Maßstäbe kennt. In einem solchen Verhältnis, ist man immer der Dumme. Denn wissen Sie: Die Milch ist doch nicht nur geklaut, sie ist auch sauer. Und wir sollen sie trinken?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Kaul
Reporter
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • HK
    Hady Khalil

    Eiszeit

    Die Sichtweise des NSA leuchtet ein. Ein Auslandsgeheimdienst will auch effektiv arbeiten und das dafür beste Arbeitsgerät. Es war eine politische Entscheidung von George W. Bush die ganze Welt zum Horchposten, zum potentiellen Feind Amerikas zu machen. Es ist eine politische Entscheidung, die Geheimdienste wieder zurechtzustutzen, für gut nachbarschaftliche Beziehungen. Wie es in den Wald ruft… Das ist wie mit HARTZ IV, wenn der Staat seinen Bürgern mit Mißtrauen begegnet, dem begegnet der Bürger auch so.. Wenn in Amerika die Diskussionen so laufen, der Zweck heiligt alle Mittel(oder von mir aus könnt ihr alles überwachen, außer mich ) und die US Administration dem kein politisches Konzept für ein humanes Amerika in einer humanen Welt gegenüberstellt, dann muss das in Weltweitem Faschismus Enden. Wie arbeiten zB. die Geheimdienste mit anderen zusammen, zB. in Deutschland? Wer in Amerika glaubt, das dort in ihrem Land anders überwacht wird, der ist naiv. Es gibt ja vielleicht noch andere Möglichkeiten Anschläge zu verhindern, als die ganze Welt zum potentiellen Feind zu machen. Eine Lernerfahrung, die ich Amerika wünsche ist, das es nicht für alle Probleme technische Lösungen gibt. Und Deutschland …gute Nacht. Die SPD so stolz auf ihre Tradition hat 100 Jahre gebraucht, den ersten Kanzler zu stellen, wie es aussieht dauerts wohl wieder so lange, wohl eher 1000 Jahre. Solange kann ich nicht warten. Habe schon die ganze Woche Schmerzen in der Schulter. Bevor ich meine Gesundheit chronisch ruiniere und das wohlmöglich zu lasten meiner LEBENSERWARTUNG geht, muss ich wohl wieder so einen Sklavenvertrag unterschreiben, damit ich Krüppel Berlins Schulden abarbeiten darf, damit Wowereit seine Schloßfassade bauen kann. Gute Nacht Deutschland.Deutschland ein Wintermärchen? – Nein, es ist Eiszeit!

  • M
    Martin

    Ich schätze mal, die NSA wird die gesammelten Daten auch zur Wirtschaftsspionage einsetzen und auch um fremde Regierungen auszuforschen: Also z.B. um etwas über das Privatleben von Funktionsträgern herauszubekommen ...