Kommentar Türkei und die PKK: Endlich Tauwetter
Es mussten erst 40.000 Menschen sterben, bis die türkische Regierung und die PKK eine Lösung zu finden scheinen. Konkrete Konzepte gibt es noch nicht, aber es taut gewaltig.
E s sind merkwürdige Verhandlungen, die derzeit in der Türkei geführt werden, aber Verhandlungen sind es dennoch. Jahrzehntelang hat der türkische Staat sich geweigert, mit der kurdischen Minderheit zu verhandeln, weil er eine Minderheit als solche gar nicht erst anerkannte. Die PKK galt ausschließlich als terroristisch, die ausschließlich militärisch bekämpft werden konnte.
Schon lange ist klar, dass dies alles Lebenslügen einer bestimmten Staatsräson sind. Doch jetzt, 25 Jahre nach Beginn der bewaffneten Überfälle der PKK und 40.000 Tote später, hat der Staat erkannt, dass dieser Konflikt militärisch nicht zu lösen ist.
Die Regierung redet zwar immer noch nicht mit der PKK, aber die türkische Öffentlichkeit beginnt zu akzeptieren, dass die meisten Kurden den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan sehr ernst nimmt. Und dieser hat nun seine Ausgangsposition markiert: Die Kurden erkennen die Existenz des Staates an, sie sind also bereit, Teil desselben zu sein, und der Staat erkennt im Gegenzug das Recht der Kurden an, eine eigene demokratische "Nation" zu sein.
Jürgen Gottschlich ist Türkei-Korrespondent der taz.
Öcalan will keine föderale, autonome Region wie im Nordirak, besteht aber darauf, dass die Kurden eigene Verteidigungskräfte organisieren. Es ist klar, dass keine türkische Regierung das akzeptieren wird. Trotzdem ist das Spiel endlich eröffnet.
Zwar reagiert die Regierung offiziell nicht auf den Mann von der Gefängnisinsel Imrali, doch sie bereitet jetzt einen Plan vor, der die Erwartungen der Kurden berücksichtigen soll. Anders als bei früheren vagen Versprechungen ist die Regierung dieses Mal bereit, mindestens mit der legalen Vertretung der Kurden im Parlament zu sprechen und hat sich mit der DTP bereits getroffen. Diese muss nun versuchen, aus den Äußerungen von Öcalan und den Erwartungen ihrer Basis ein Konzept zu erstellen, das mit der Regierung verhandelbar ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“