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Kommentar Türkei gegen die PKKBomben statt Verhandlungen

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Erdogans Regierung war schon weiter: Mit einer demokratischen Offensive und Geheimverhandlungen strebte man eine politische Lösung an. Davon ist nichts mehr zu spüren.

E s hört sich an wie eine Meldung aus Afghanistan. Mehr als 30 Tote nach einem Luftangriff, statt bewaffneter Kombattanten traf es unbewaffnete Zivilisten. Doch der Vorfall ereignete sich an der türkisch-irakischen Grenze. Die türkische Luftwaffe glaubte PKK-Kämpfer zu bombardieren.

Sie tötete junge Männer, denen vermutlich nur vorzuwerfen ist, dass sie zum Unterhalt ihres Clans billigen Diesel aus dem Irak in die Türkei schmuggeln wollten. Die Armeeführung will prüfen, die Regierung schweigt, die Kurden sind wütend.

Vermutlich werden Regierung und Armee den Vorfall mit dem Argument vertuschen, die Schmuggler seien, wenn nicht selbst von der PKK, dann eben im Auftrag der PKK unterwegs gewesen. Nichts soll die derzeit groß angelegten Militäroperationen in den kurdischen Bergen stören, Kollateralschäden muss man da schon mal in Kauf nehmen.

Bild: taz
JÜRGEN GOTTSCHLICH

ist Korrespondent der taz in der Türkei.

Auch dass sich die kurdische Bevölkerung durch solche Aktionen immer mehr vom türkischen Staat abwendet, stört im Moment nicht: Die Spitze von Militär und Regierung ist wieder einmal der Meinung, man könne den Konflikt mit der kurdischen Minderheit durch einen militärischen Sieg lösen.

Gerade die amtierende Regierung war da schon mal weiter. Mit einer demokratischen Offensive und geheimen Verhandlungen mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan strebte Ministerpräsident Tayyip Erdogan eine politische Lösung an. Davon ist zurzeit nichts zu spüren.

Trotzdem hoffen Optimisten, der Taktiker Erdogan habe das Militär nur noch mal von der Leine gelassen, um bessere Verhandlungskonditionen herbeizubomben. Zu befürchten ist allerdings, dass Erdogan und seine AKP nach dem Wahlsieg im Juni jetzt glauben, stark genug zu sein, um den Kurden keine Zugeständnisse mehr machen zu müssen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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9 Kommentare

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  • A
    Artobanes

    Letzte Woche diskutierte die halbe Welt darüber, ob die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches für den Völkermord an Armenier in den Jahren 1915/16 verantwortlich ist. Die Türkei ist immer dagegen diese Vernichtung eines ganzen Volkes in Anatolien als "Völkermord" zu bezeichnen und dies so zu akzeptieren. Nun führt die Türkei als Mitglied der sog. "Wertegemeinschaft", also man bezeichnet NATO inzwischen so, seit ca. 30 Jahren einen offenen Krieg gegen eine Minderheit in eigenem Land. Zehntausende Menschen wurden getötet; tausende Siedlungen wurden zerstört; Millionen Menschen wurden in eigenem Land zwangsweise umgesiedelt bzw. deportiert. Man erfährt erst jetzt die haarsträubenden Details dieser Barbarei in den 1970er-1990er Jahren in ganz Anatolien.

    Völkermord, Vergehen gegen Minderheiten, die Untaten gegen Menschlichkeit und Menschenrechte werden inzwischen in den Haag verhandelt. Selbst die Verantwortlichen der in Afrika (Kongo, Ruanda u.a.)begangenen Untaten sitzen in U-Haft oder bereits bestraft. Das Übrige wird von dem Deutschen Justiz tatsächlich oder angeblich/vergeblich verfolgt. Der Türkei und ihren Killer gewährt man freie Hand. Die Mörder der oben benannten Untaten laufen in der Türkei und sogar in Deutschland frei.

    PM Erdogan bahauptete, dass Islam in der Türkei das Zement des Gemeinwesens sei. Dies ist nur eine Behauptung, Täuschung und Unsinn ist, erfahren wir alle jetzt nochmals. Die zivilisierte Weltöffentlichkeit erwartet, dass die Mörder von Ankara wie ihre Artgenossen aus Afrika und Balkan ebenso in den Haag gesperrt und bestraft werden. Damit es bei Killer von Ankara in Erinnerung bleibt, sollten die Innenräume ihrer Zellen mit dem Blut der Völker, das sie reichlich vergossen haben, getüncht werden.

  • AD
    AN DIE RECHTSEXTREMEN TÜRKEN

    Ich bin überzeugt davon, dass ein DEUTSCHER, die deutsche Grammatik beherrscht ;) Wenn ihr euch als Deutsche ausgibt, damit man denkt, dass es Deutsche gibt, die den Angriff "objektiv betrachten", d.h. unterstützen, dann achtet wenigstens auf die Grammatik :D

     

    Ich bedanke mich ebenfalls bei Herr Gottschlich.

  • A
    alevite

    Herr Erdogan ist doch derjenige der immer von Frieden spricht... Die Bombadierung junger Zivilisten hat wieder mal das Gegenteil bewiesen.

     

    Ich kann mich noch erinnern als er eine Rede in Deutschland gehalten hat, wegen Integration der Muslimen in Deutschland. Er soll sich erstmal über seine Probleme in der Türkei beschäftigen, wo kurden auf offenen Straßen abgeschleppt werden und ermordet werden.

  • Z
    Zeze

    @Gastarbeiterkind

    Wie bitte kommen Sie zu der Schlussfolgerung, dass die Bevölkerung im Süden und Südosten der Türkei mehrheitlich AKP-Wähler sind? Allem Anschein nach kennen Sie das politische Wahlsystem in der Türkei mit der 10%-Hürde nicht. Zudem hatte keine kurdische Partei Zeit sich zu etablieren, da diese immer wieder verboten werden und überhaupt werden ihre Politiker (obwohl Sie nie eine Waffe in der Hand hatten oder terroristische Äusserungen von sich gaben) wie am Laufband verhaftet. Es reicht nicht einen Dach über dem Kopf zu haben, die Kurden wollen lediglich ihre sprachlichen und kulturellen Rechte, welche jedem Volk zustehen. Sie als Nichtkurde können schlecht beurteilen, was wir wollen und was nicht, da Sie in Ihrem Heimatland nicht von dieser Problematik betroffen sind.

     

    @Jack Stern

    Ich sage auch Nein zum Terror - und auch ein Riesennein zum Staatsterror. Können Sie das auch?

  • G
    gastarbeiterkind

    Sehr geehrter Herr GOTTSCHLICH,

    gucken Sie sich doch bitte die Wahlergebnisse der Parlamentswahlen in der Türkei genauer an. Dann werden Sie erkennen, dass auch die Bevölkerung im Süden und Südosten der Türkei mehrheitlich AKP wählte, die amtierende Partei des PMs. Schliessen nicht auch Sie daraus, dass die Unterstützung und der Zuspruch dieser Menschen eher der AKP als der BDP gilt. Weshalb wird andauernt die bdp als "Vertretung" der Interessen "DER KURDEN" dargestellt? Die Interessen dieser Menschen sind die gleichen, wie der aller Menschen auch, FRIEDEN und EIN DACH ÜBER'M KOPF! Der Wunsch oder Traum eines Kurdischen Staates ist in den Köpfen der Menschen dort marginal! Die AKP hat der BDP mehrfach eine Teilnahme an einer Ausarbeitung einer neuen Verfassung angeboten. Die BDP verweigert sich seit längerem an einer neuen Verfassung mitzuarbeiten. Die bdp nutzt alle Rechte eines Abgeordneten, z.B. Immunität, nimmt aber den Auftrag und deren Aufgaben nicht wahr. Das ist doch die Wahrheit. Das Militär und die Politik fordern eine Aufarbeitung dieses dramatischen Vorfalles. Beide haben auch ihr Bedauern geäussert. Die bdp nutzt diesen Vorfall jedoch erneut um contraproduktiv zu agieren und verteilt wieder Schuldzuweisungen. Sie mutmaßen, Zitat "Vermutlich werden Regierung und Armee den Vorfall mit dem Argument vertuschen, die Schmuggler seien, wenn nicht selbst von der PKK, dann eben im Auftrag der ....". Ist das demokratische Berichterstattung? Der Sprecher der AKP hat bereits eine Erklärung abgegeben, wie auch das Militär, ohne eine Vorverurteilung zu machen.

    Wünsche weiterhin gutes Gelingen, MfG.

  • JS
    Jack Stern

    solange es in Europa die Geldquellen der der Pkk (im Westen als Guerilla in der Türkei als Terrorist bezeichnet) nicht versiegen wir des kein Frieden geben. Es scheint als ob ein kalter Krieg zwischen dem Westen und er Türkei geben würde wenn man nur anschaut wie die Berichterstattung hier zu lande über die Bombardierung der Schmuggler klingt. Wie wurde den über die Bombardierung der 120 Zivilisten in Afghanistan berichtet, kann sich einer daran erinnern? Was die kurdischen Politiker angeht sollte nicht verschwiegen werden dass es sich um einem Aufruf zu Gewalt handelt als um Empörung.

  • K
    Kurde

    Dieser Beitrag gefälttt mir sehr! Ich bedanke mich sehr bei Herr Gottschlich für diesen Beitrag! Ein Mensch der kein Kurde ist, doch die Wahrheit erwähnt!

     

    Danke nochmals Herr Gottschlich!

  • G
    GermanyMA

    Nichts mehr zu spüren ist nicht die Bereitschaft des türkischen Volkes die Situation der Kurden-Bevölkerung in der Türkei gleich zu setzen. Nein, es ist die einseitige Berichterstattung in Deutschland. Wir spekulieren darüber das Schmuggler "nur" Dieselkraftstoff geschmuggelt haben sollen und nichts anderes. Sorry, aber wers glaubt wird seelig!

     

    Ich behaupte nichts anderes, aber Herr Gottschlich, waren Sie dabei und haben die Kanister gesehen??

     

    Viel mehr liegt doch die Wahrheit irgendwo dazwischen! Die PKK finanziert sich seit Jahrzehten mit Drogen- und Waffenschmuggel. Diese Drogen werden nach Europe transportiert. Diese Waffen werden gegen die türkische- als auch die kurdische Bevölkerung eingesetzt.

     

    Sorry Herr Gottschlich, aber erneut muss ich hier wehement Ihre Neutralität scharf anzweifeln!

     

    Besuchen Sie morgen oder vielleicht heute schon, wenn Kinder, Frauen und Männer durch die PKK direkt oder inderekt getötet werden, die Familien besuchen und die Taten erklären?

     

    Ich habe regen Kontakt zu türksichen wie auch kurdischen Menschen in Deutschland. Ja, es gibt viel aufzuarbeiten aber alle wirklich alle wollen keine Todesnachrichten weder von Türken noch von Kurden hören!

     

    Wie wollen Sie die Bevölkerung hinter sich halten, wenn dutzende Menschen sterben müssen?? Ich bin einmal gespannt, wie wir in Deutschland wählen würden, wenn die Arbeitslosigkeit auf 10 Millionen steigen würde. Aus unserer Historie kann ich mit Sicherheit behaupten, dass die rechten Parteien wahrscheinlich keine Koalition eingehen müssten!

     

    Bevor Sie pauschal die Regierung und das türkische Volk verurteilen, sollten Sie die Scheuklappen abnehmen und erkennen, dass vieles nicht einfach von heute auf morgen geändert und umgestellt werden kann. Eines ist Sicher, vieles von dem was heuer passiert trägt die BDP, die politische Kraft der Kurden, selbst Schuld. Diese bieten nicht wirklich eine Lösung des Problems an, sonder trennen die Türken mit den Kurden. Das ist nicht hinnehmbar. Eine geteilte Türkei wird es nicht geben und kann auch nicht politisch das Ziel sein. Es sei denn wir in Deutschland können uns vorstellen, dass irgenwann die Deutsch-Türkische Minderheit per Referendum einen Teil Deutschland zu Ihrem Land ausrufen können. Völliger Wahnsinn, völlig unmöglich! Daher kann und sollten die Kurden auf eine Gleichstellung mit den Türken in Türkei setzen sowie Autonomie im Grenzgebiet zum Irak, Iran. So hätte man auf der einen Seite ein "eigenes" Land und hätte auf der anderen Seite eine unterstützende Türkei.

     

    Meiner Meinung nach geht es heuer überhaupt nicht mehr um die Interessen der kurdischen Bevölkerung. Es geht nur um Macht, Einfluß und natürlich wie immer um Geld.

     

    In diesem Sinne, die Kurden müssen sich selbst fragen was diese eigentlich möchten und wie die Zukunft aussehen soll! Wenn man nicht weiß wofür man kämpft ist es unerheblich wie lange der Kampf dauert.

  • AM
    A. Müller

    Sehr geehrter Herr Gottschlich,

     

    ihre subjektive Berichterstattung stösst mir doch schon länger auf, ich bitte doch um mehr Objektivität. Es ist keinem geholfen immer wieder den selben an den Pranger zu stellen, anstatt die eigentliche Ursache dieser Tragödie zu hinterfragen. In diesem Krieg wird Geld an vielen Fronten verdient. Es ist viel zu Billig ständig dem Regierungschef R. T. Erdogan diese geschichtlichen Umstände in die Schuhe zu schieben. Auch wenn ich kein Freund von seinem Regierungsstil bin, hat sich aber doch die Türkei in den letzten 8 Jahren so Stark verändert wie es keinem von uns jemals in Gedanken gekommen wäre. Wenn man diese Veränderungen Objektiv beobachtet, dann hat Sie die Türkei positiv Verändert!!