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Kommentar Trauerfeier für SoldatenStolz als Bürgerpflicht

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Und so haben beide Spitzenpolitiker die Trauerfeier hochprofessionell instrumentalisiert, um sich für ihre Politik zu rechtfertigen.

D ie Arbeitsteilung zwischen Karl-Theodor zu Guttenberg und Angela Merkel auf der Trauerfeier für die getöteten deutschen Soldaten war eindeutig. Der Minister benutzt die Trauerfeier, um den Deutschen einmal mehr die Heldenverehrung nahezulegen. Seine Stimme vibriert gelegentlich, und dass der Feind den Karfreitag für den Anschlag wählte, das erschüttert ihn geradezu. Angesichts dieser Barbarei möchte der Minister Vorbild sein für die humanistische Erziehung.

Als eine seiner Töchter ihn fragte, so erzählt zu Guttenberg, ob die gefallenen Soldaten tapfer gewesen seien und ob auch sie stolz auf sie sein dürfe, da habe er ihr mit Ja geantwortet. "Nicht politisch", fügt er hinzu, "sondern einfach Ja." Dank dieses kryptischen Zusatzes soll der Zuhörer begreifen, dass er hier als Vater und nicht als Politiker gehandelt habe. Als deutscher Vater, der dem unschuldigen Wunsch seiner Tochter nachkommt, Hochachtung vor den Soldaten zu empfinden.

Bild: privat

Ines Kappert leitet das Meinungs-Ressort der taz.

Und auch die anschließend sprechende Kanzlerin wirbt für eine persönliche Anteilnahme. Nichts könne die Empathie des Einzelnen ersetzen, mahnt sie. Im Gegensatz zu ihrem lustvoll in die Kitsch- und Nationalismuskiste greifenden Kollegen bleibt sie wie gewohnt zurückhaltend. Wohltuend ist auch, dass Merkel als Einzige neben den deutschen auch den gestorbenen afghanischen Soldaten Achtung zollt.

Doch dann kommt es: Man habe ja am Anfang nicht gedacht, dass der Afghanistaneinsatz so "schwierig" würde. Heute aber stehe sie "sehr bewusst" hinter dem Einsatz, versichert sie. Wer angenommen hat, man dürfe bei Merkels Entscheidungen zumindest Bewusstsein voraussetzen, erfährt jetzt, dass selbst das keine Selbstverständlichkeit für sie ist.

Und so haben beide Spitzenpolitiker die Trauerfeier hochprofessionell instrumentalisiert, um sich für ihre Politik zu rechtfertigen. Tote Soldaten sollen für die deutsche Öffentlichkeit kein Anlass sein, die verantwortliche Politik zu hinterfragen, sondern wir sollen uns endlich guten Gewissens in den Stolz auf unsere Krieger und unser Land fügen.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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13 Kommentare

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  • T
    Takeshi

    > ausgerechnet am Karfreitag <

     

    Welch eine Tragödie. Sicherlich wären Sie an einem anderen Tag viel lieber gestorben.

    Werden bei Kampfeinsätzen unserer "Freunde" Rücksicht auf die Feiertage der Afghanen genommen? Ich bin sicher, die sind noch nicht einmal bekannt.

  • I
    Ianus

    JEDER Krieg bedeutet massenhaft Gewalt, Elend, Traumatisierungen und Tod bei aktiven Kriegsteilnehmern wie in der Zivilbevölkerung. Immer wieder kehren Soldaten vom Kriegsfeld nach Hause, körperlich und seelisch verwundet, mit ihrem Schmerz allein gelassen. Immer wieder schaffen es die Regierenden jeglicher Couleur, ihre massenhaften Jasager hinter sich zu scharen.

     

    Wer es besser weiß, der verbessere mich, aber ich habe die dezidierte Meinung, dass sich daran auch beim AfghanistanKRIEG nichts geändert hat - die wohlklingenden Legitimierungen für diese Gewalttaten, dies auch mit deutschen Worten, empfinde ich milde als warmen Wind.

  • H
    hellacharlot

    es gibt nicht mehr viele, die Augenzeugen waren, als ihre Brüder, Freunde, Kamaraden mit viel Empathie vom primär deutschen Adel an der Wehrmachtsspitze im Namen der großen Vaterlandsliebe in den Krieg geführt wurden und verreckten -erbärmlich verreckten-. Mit welchem Ergebnis? Dass Deutschland in jeder Hinsicht in Trümmern lag? Machen wir jetzt auch wieder so lange weiter, bis die Krieger hierher kommen und neue Trümmer der Wirschaft Aufträge sichern? Wie schon jetzt das Geschäft mit Rüstung und Krieg ein Milliardengeschäft für die Wirtschaft ist. Warum wohl geht ein zu Guttenberg, einer der reichsten Männer Deutschlands, in die Politik und greift sich ausgerechnet Wirtschafts- und dann Verteidigungsministerium, da, wo Deutschland heute wieder das große Geld mit Hilfe der großen Vaterlandsliebe und dem Verrecken der Soldaten macht?

  • C
    claudia

    >>Dieser Guttenberg ist ja wirklich verrückt.

  • F
    Frank

    Bewusst oder nicht bewusst.

    Jetzt ist "KRIEG" und wir sind mit dabei.

    Natürlich soll das "Deutsche Volk " hinter dieser (ach so Un-Bewussten) Politik und seinen (Toten) "Neuen Helden" stehen.

     

    Um es mit den Worten eines bekannten Komikers zu sagen : "HEIL HINKEL"

     

    PS.: Es lebe die Ewige Unberechenbarkeit.

  • L
    Lutz1

    Dem ist nichts hinzu zufügen.

  • P
    Pazifist

    Stolz für deutsche Soldaten? Da war doch mal was...

     

    Ich finde es einfach widerlich, wie der sinnlose Tod dreier Soldaten instrumentalisiert werden soll, um den Deutschen einen sinnlosen Krieg näher zu bringen!

     

    Die Bundeswehr muss raus aus Afghanistan! Am besten gestern!

  • H
    hto

    Vielleicht wird den "braven Bürgern" nun klar, daß der Faschismus nie beendet wurde, sondern nur an eine "Demokratie" der gebildeten Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche gewöhnt / konfusioniert wurde - die leichtfertige Übertragung von Verantwortung, an die "Treuhänder" dieses "freiheitlichen" Systems in Überproduktion von Kommunkationsmüll, kann auch Bewußtsein bilden, aber dadurch wird die Kapitulation vor dem System noch nicht mit Mut zu eindeutiger Wahrheit ersetzt!?

  • F
    fernetpunker

    Das "Danke" von zu Guttenberg fand ich abstoßend und unpassend. Nichts ist vor ihm sicher.

  • W
    Westberliner

    Aus meiner Sicht hat unser "Friedenskanzler" Gerhard den Grundstein für Auslandseinsätze unserer Verteidigungsarmee und damit für spätere Kriegseinsätze gelegt. Untermauert wurde dies auch durch Aussagen wie "Wir verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch". Ein späterer christlicher deutscher Kriegsminister ließ dann aber, vielleicht versehentlich, die Katze aus dem Sack und offenbarte, dass die neue Aufgabe unserer "Verteidigungsarmee" die Sicherung von Rohstoffen ist.

     

    Da frage ich mich doch ernsthaft, ist diese Bundeswehr wirklich noch eine Parlamentsarmee oder doch eher eine Armee der Wirtschaft und der Konzerne?

     

    Aus meiner Sicht ist der Einsatz in Afghanistan widerwärtig und sinnlos. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Soldat, der dort freiwillig hingegangen ist, es für "sein Vaterland" macht. Es winkt wohl eher das Geld. Diese Wahrheit muss ausgesprochen werden.

  • V
    vic

    Achtung vor Söldnern, gar stolz auf sie?

    Die spinnen doch komplett.

    Ich habe Achtung vor Verweigeren und bin stolz auf Deserteure.

  • S
    Sebastian

    Dieser Guttenberg ist ja wirklich verrückt. Was der von sich gibt, ist einfach nicht zum aushalten.

    Das wirklich traurige an dem Tod der Soldaten ist, dass er absolut sinnlos war, wie sich spätestens in ein paar Jahren zeigen wird. Und Guttenberg und seine Partei sind dafür mitverantwortlich.

  • M
    mfstaiger

    Man bin ich froh, dass wir Deutschen nach der NS-Zeit ein Problem mit der Heldenverehrung deutscher Soldaten haben.Das ist ein zweifelhafter Krieg und damit sind alle gefallenen Soldaten zweifelhafte Opfer, wo man nur den menschlichen Verlust bedauern kann. Aber nicht in ihrer Funktion. Schuld an diesen Opfern trägt allein die Politik, die sich gegen die Meinung des Volkes stellt und immer mehr Soldaten in Gefahr bringt durch deren Stationierung in diesem Land . Mein Mitgefühl gehört den Familien und Freunden der Opfer.

    Beider Seiten.