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Kommentar TibetLuftschlösser im Himalaja

Georg Blume
Kommentar von Georg Blume

Sechs Tage lang berieten die Exiltibeter im indischen Dharamsala über ihren künftigen Kurs. Der ist leider ziemlich unrealistisch.

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Georg Blume
Auslandskorrespondent Indien
Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.
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14 Kommentare

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  • C
    chuqiugu

    Was kann Dalai Lama den Tibetern bringen? Von ihm koennen sie nichts bekommen. Tatsaechlich wuenschen sie sich ein ruhiges Leben. Jetzt wird ihr Leben gut gewaehrt. Dalai Lama will nur Macht besitzen. Er tritt nur seine eigene Intresse. Was er behauptete, ist voellig Quatsch. Er hat kein Recht, die Tibeter zu stoeren.

  • WH
    Werner H. Fischer

    Herr Gruschke - leider musste ich feststellen, nachdem ich unsere kommentare mehrmals durchgesen habe, das sie bestimmte stellungnahmen von mir einfach ignorieren - sie wollen vermutlich damit verhindern; in die niederungen der "alltäglichen politik" abzudriften - fluechten sich dann allerdings dann wieder in formulierungen, die nun wirklich nicht sehr fundiert sind. "die chinesen sind an allem schuld" - ideologische bornierte chinesische betonköpfe sind "schuld" ich mache sie verantwortlich fuer die verhaftung und verurteilung von rongye adrak, hu jia und weiterer tibetischen und chinesischen oppositionellen.

    die vollstreckung des todesurteils gegen wo weihan musste ich mit entsetzen und tiefster verachtung fuer die chinesische machthaber leider zur kenntnis nehmen..

    - sie gebrauchen eine sehr verklausulierte formulierung - halbwegs aussichtsreiche möglichkeit.. - wenn sie versuchen die chinesischen vorstellungen von autonomie darzustellen - nur zu ihrem verständnis - die katalanen haben neben vielen anderen europäischen volksgruppen einen autonomie-status - mir ist kein fall bekannt, dass das zeigen der katalanischen flagge - als ein separatistisches verbrechen verfolgt wurde. das was die chinesen unter autonomie verstehen und vorallem wie sie diese vorstellungen bisher politisch umsetzten ist wahrscheinlich fuer viele tibeter nicht akzeptabel - jeder ansatz eines protest gegen die chinesische besetzung wird aufs schärfste verfolgt - so auch geschehen bei der verhaftung von rongye andrak in lithang.

    ich habe fast den eindruck - damit ihr "wissenchaftliches fundament" nicht die vermeintliche "bodenhaftung" greifen sie zu einem langweiligen, inzwischen abgestanden mittel - sie benutzen die kategorie "utopie" - was ist an einer politischen utopie so verwerflich? luftschlösser im himalaya ist doch auch so eine griffige, polemische-plumpe formulierung.. -:)

  • HS
    Holger Schustar

    Es ist doch völlig egal, was früher mal war. Tatsache ist, dass Tibet heute ein Teil Chinas ist und beide Seiten ständig bekunden, dass sie aufeinander zugehen wollen.

     

    Dann sollen sie das doch endlich auch tun und nicht länger auf Prinzipien wie Geschichte hin oder her herumreiten, sondern Meinungsverschiedenheiten zunächst einmal ausklammern und mit vertrauensbildenden Maßnahmen beginnen, damit ein Klima entsteht, in dem sich dann auch die restlichen Meinungsverschiedenheiten lösen lassen.

     

    Nur ein solcher praxisorientierter Weg verspricht Erfolg.

     

    Wenn beide Seiten jedoch weiter an ihren Extrempositionen festhalten, China an der Forderung, dass niemand mit dem Dalai Lama sprechen darf, und der Dalai Lama an manch übertriebener Forderung seines 'Mittelweges', zeigen beide nur, dass sie keinen fairen Kompromiss, sondern die Kapitulation der Gegenseite anstreben.

  • AG
    Andreas Gruschke

    Die Vehemenz, die Herr Fischer bei mir feststellte (und ich selbst gar nicht so sehr empfand), hat am ehesten damit zu tun, dass ich beim Versuch „nach vorne zu blicken“ ermahnt wurde, in die Vergangenheit zu schauen. Aus der kann man sicher lernen, was aber leider nur wenig getan wird. Dass ich mich jedoch dagegen wehre, die Vergangenheit zum einzigen Maßstab zu machen, wird mir letztlich vorgeworfen. Und weil ich etwas ausführlicher geworden bin (um meine Argumentation nachvollziehbarer zu machen), bin ich deswegen also ohne „eine abgeklärte, souveräne Haltung“.

    Etwas entwaffnend ist endlich, dass Herr Fischer mit einer kritisches Hinterfragen nicht zulassenden Selbstverständlichkeit davon ausgeht, dass alle von mir angeführten geschichtlichen Kontexte und Deutungen von ihm als Teil der "offiziellen Versionen chinesischer Geschichtsschreibung" gesehen werden. Damit macht er seinen Irrglauben deutlich, dass ein anderes als das in der westlichen Öffentlichkeit verbreitete Geschichtsbild Tibets sich ausschließlich aus chinesischen Quellen speise – mindestens aber die von mir vorgebrachten Darstellungen. Er reiht sich damit ein in die nicht enden wollende Schar von Leuten, die einem Sinologen grundsätzlich unterstellen, „chinesische Standpunkte“ (die so einheitlich gar nicht sein müssen) zu vertreten. Als ob wir als im Westen geschulte Wissenschaftler nicht gelernt hätten, mit Texten, insbesondere historischen Texten, quellenkritisch umzugehen. Aber offensichtlich sollen wir nur mit den chinesischen Texten quellenkritisch umgehen, nicht aber mit tibetischen oder westlichen. Hier bleibt dann in der Tat nicht mehr viel zu sagen übrig. Von meinen persönlichen Erfahrungen, Gesprächen und Interviews mit Tibetern in Tibet, Indien, in diversen Himalaya-Gebieten will ich daher gar nicht anfangen.

    Im Übrigen kann ich Herrn Fischer nicht beipflichten, Tsultrim Dorjes Antwort als „im Grunde schon fast bedeutungslosen Beitrag“ anzusehen. Auch wenn wir hier im Forum so erscheinen, als ob wir uns in unseren Ansichten in allem diametral gegenüberstünden, so hat mich die Erfahrung gelehrt, dass sich dies in einem längeren persönlichen Gespräch oft anders darstellt. Man kann selbst bei unterschiedlichen Ansichten oft noch einige Ziele teilen und Wege finden, diese zu erlangen – deswegen muss man seine Haltung gleichwohl nicht fundamental ändern: man muss nur versuchen nachzuvollziehen. Wenn ich manches anders sehe als viele Exiltibeter und Tibet-Unterstützer, heißt dass noch lange nicht, dass ich ihren Punkt nicht auch teilweise verstehe; nur glaube ich eben nicht, dass er unser Anliegen, die Verhältnisse für die Tibeter in Tibet zu verbessern, unter den gegebenen Umständen weiter bringt.

  • WH
    Werner H. Fischer

    Die Vehemenz mit der Andreas Gruschke auf den kurzen, im Grunde schon fast bedeutungslosen Beitrag von Tsultrim Dorje antwortet, hat mich etwas ueberrascht - eine abgeklärte, souveränte Haltung kann ich in seinem Beitrag nicht erkennen.

    Andreas Gruschke sollte wissen, dass er mit den "offiziellen Versionen chinesischer Geschichtsschreibung" vorsichtiger umgehen sollte; diese äusserst merkwuerdigen und gerade deshalb gefährtlichen Mixtur von Legenden, Mythen, Verdrehungen - die selbstverständlich dazu instrumentalisiert wurden, die Ansprueche der chinesischen Machthaber auf Tibet zu zementieren - auf die ueblichen Klischees und Denkschablonen derer sich Andreas Gruschke bedient möchte ich nicht eingehen - machen Sie es bitte nicht zu einfach, viele "Tibetsupporter" sind sehr wohl zu einer differenzierten Analyse fähig.

     

    - einige kurze Anmerkungen - damit mir nicht bornierte Einseitigkeit vorgeworfen wird.

    - die Volksrepublik China befindet sich meines Erachtens am Anfang eine sicherlich schwierigen, womöglich langandauernden Demokratisierungs- prozesses - der Ruf nach Meinungsfreiheit und das Recht zur Gruendung von unabhängigen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen werden wir in der nächsten Zukunft noch stärker vernehmen - der unumschränkte Machtanspruch der kommunisti- ischen Partei wird von vielen Tibetern, Chinesen etc. grundsätzlich in Frage gestellt - ich masse mir nicht irgendwelche Prognose zu stellen - bitte aber folgendes gruendlichst zu Ueberdenken -

     

    Brigitte Fehrle schreibt in einem Betrag der letzten "Zeit" Ausgabe - In dieser Finanzkrise wurde wie nie zuvor grell erleuchtet, dass die USA und China zwei Wirtschaftsnationen sind, die wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden sind" - bisher versuchten die chinesischen Machthaber mit grossen Erfolg Tibet als eine innere Angelegenheit der Weltöffentlichkeit zu präsentieren - alles andere wurdere als Einmischung betrachtet. Es ist zu hoffen, dass die Vertreter der Volksrepublik China, der USA, der EWG und selbstverständlich auch die Vertreter der tibetischen Exilregierung zu einem Dialog treffen, in dem die chinesíschen Vertreter allerdings nicht, wie bisher geschehen die Bedingungen diktieren. Die Bush-Administration hat es den chinesischen Machthabern relativ einfach gemacht - die von Ms.Paula Dobriansky - der Sonderbeauftragte fuer Tibet in der "Washington Post" gemachten Statements waren an "Harmlosigkeit fast nicht zu ueberbieten - auch Herr Gruschke kennt die Gruende hierfuer..

     

    last but not least - der musikalische "Ruf nach Freiheit" von Albert Ayler hat in den USA auch einen politischen Prozess beegleitet, der u.a. auch zur Wahl von Barack Obama fuehrte - die chinesischen Machthaber reagierten mit äusserster Härte, als Björk bei einem Konzert in Shanghai fuer die politischen Rechte der Tibeter sich einsetzte.. sie stimmen mir vielleicht zu, die politische Geschichte ist alles andere,(nur kein geradeliniger, mit Denkschablonen behafteter) sehr differenziert, vielschichtiger Prozess.. deswegen sage ich Ihnen auch als letzte Randbemerkung "wer Albert Ayler nicht kennt, hat die Welt verpennt.. -:)

  • AG
    Andreas Gruschke

    Tsultrim Dorjes Einwurf an dieser Stelle ist überaus wichtig und erhellend, zeigt er doch einmal mehr auf, dass es bei der „Tibet-Frage“ um sehr unterschiedliche Interessen geht. Wir „Herren Blume, Gruschke, Nentwig“, wie er meint, werden uns wohl damit abfinden müssen, nicht mehr den Tag zu erleben, an dem Exiltibeter wie er und viele ihrer Unterstützer die tibetische Geschichte differenzierter wahrnehmen (ohne deswegen ihr Geschichtsbild völlig über den Haufen zu werfen):

     

    – wie den regelmäßig wiederkehrenden Umstand, dass innerhalb Tibets sich bekämpfende tibetische Fraktionen – nicht nur unmittelbar vor der gewaltsamen Besetzung durch die Volksrepublik China, sondern auch schon Jahrhunderte zuvor – immer wieder mit Mächten außerhalb Tibets paktierten (z.B. Mongolen, Mandschuren, Chinas Kommunisten), um innenpolitische Kämpfe gegen ihre eigenen Brüder für sich zu entscheiden und dadurch überhaupt erst vereitelten, dass bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein breiter inner-tibetischer Zusammenhalt entstehen konnte;

     

    – was in den 1930er Jahren ja an mindestens vier Orten Osttibets (Markham, Riwoche, Bathang, Kandze) zu Autonomiebewegungen führte, die mit dem Ziel antraten, sich von der Lhasa-Regierung zu emanzipieren;

    – dass infolgedessen die dem Dalai Lama aus religiös-spirituellen und inzwischen auch Identität stiftenden Gründen erbotene Loyalität keineswegs sofort von jedem Tibeter auf jedwede andere zentraltibetische (will heißen: in Lhasa sitzende) Regierung übertragen würde;

     

    – und dem weiteren Umstand, dass zudem gravierende „Entfremdungserscheinungen“ zwischen (politisch aktiven) Exiltibetern und (insbesondere nicht aufständischen) Tibetern in Tibet selbst aufscheinen.

    All dies (und vieles mehr, was hier nicht alles aufgeführt werden kann) macht schnell deutlich, dass selbst nach einer schnell und reibungslos vonstatten gehenden Unabhängigkeit, so sie denn möglich wäre, die entstehende tibetische Regierung erst einmal mit dem Umstand zu kämpfen hätte, „ihr Land und ihr Volk“ in vollem Umfang (neu) kennen zu lernen, insbesondere da dessen Probleme bis dahin allein über die Formel „die Chinesen sind an allem Schuld“ definiert wurden.

     

    Und genau, weil diese Vorgehensweise die Probleme nicht zu lösen verspricht, sehe ich als – momentan – einzig gangbaren Weg, das, was ist, zu verbessern. Es ist Tsultrim Dorjes Interpretation, dass eine solche Haltung meinerseits etwas über meine Ansicht darüber, ob, wann, wie oder wie nicht Tibet unabhängig war, aussage. Dies ist mitnichten so. Ich äußere mich hierzu auch weiterhin nicht, weil ich nicht glaube, dass es der Verbesserung der Lebenssituation in Tibet nicht nütze. Das liegt natürlich auch daran, dass in meinen Augen die Verbesserung des Wohls der 98 % Tibeter, die in Tibet leben, zunächst einmal wichtiger ist als die Wünsche der kaum 2 % Tibeter, die im Exil leben. Auch das Anliegen der Letzteren kann ich nachvollziehen, doch ich bin mir nicht sicher, ob dies umgekehrt ebenfalls selbstverständlich ist.

     

    Streiten Sie ruhig weiter mit China um die Geschichte - in Kategorien, die wir Europäer „friedlich“ über die Welt gebracht haben und sich nun alle zu eigen gemacht haben. Wir „Herren Blume, Gruschke, Nentwig“ bemühen uns um Lösungsmöglichkeiten für praktische Probleme, die wir vor Ort als solche (zu) erkennen (meinen). Ich sage nicht, dass wir damit die Weisheit mit Löffeln gegessen haben – doch erscheint mir der bisher von den Exiltibetern und ihren Unterstützern gegangene Weg wie ein zwar gut ausgetretener, aber eben doch im Kreise und nicht auf ein erreichbares Ziel hinführender Weg.

  • TD
    Tsultrim Dorje - Helsinki

    Was viele Kommentatoren und Politiker mit einer mir vollkommen unverständlichen Non-Chalance leider ignorien - Tibet war vor der gewaltsamen Besetzung durch die Volksrepublik China - de facto - ein unabhängiger Staat -

    Den Herren Blume, Gruschke, Nentwig, stell vertretend fuer viele andere... sei dringend geraten, ihren "politisch fundierten, analytischen Sachverstand.. -:) auf den Zeitraum vor der gewaltsamen Besetzung Tibet und den Jahren bis zur Kulturrevolution zu konzentrieren - es sind fuer diesen Zeitraum hochbrisante(auch in komplexeren Zusammenhängen betrachtet) - Dokumente uns allen zugänglich, die diese schon etwas ins schablonenhafte abgleitenden, den Standpunkt der chinesisichen Regierung sehr unterstuetzendenn Kommentare in ganz entscheidenden Punkten grundlegend in Frage stellen könnten...! Vorraussetzung wäre dann allerdings, dass die Herren Blume, Gruschke, Nentwig, Heberer.. die chinesiische These von der "friedlichen Befreiung Tibets" zumindest im Ansatz in Frage stellen wuerden.

  • AG
    Andreas Gruschke

    Ich frage mich manchmal, auf welcher Grundlage Kommentatoren, die meinen, alle Probleme könnten gelöst werden, wenn nur die Unabhängigkeit eingelöst würde, zu diesem Glauben kommen!? Wenn schon für die nicht so fundamentalen Probleme keine Lösungen gefunden werden (und diese besitzen die Exiltibeter ebenso wenig wie die chinesische Regierung), dann fängt man mit dem größten an. Wem es wirklich ernst wäre mit Verbesserungen für die Tibeter in Tibet, der würde doch sagen: schön und gut, auf dem Papier gibt es Autonomie. Was können wir tun, diese Autonomie richtig umsetzen zu helfen? wo gibt es dabei Probleme, und woher kommen diese? (eben nicht daher: "die Chinesen sind an allem schuld") und wie können wir sie vielleicht gemeinsam lösen? Es wurde so lange an solchen Problemen vorbeigeredet, dass jetzt kaum noch irgendwo für irgendwas anderes Gesprächsbereitschaft herrscht. Und dafür haben alle Beteiligten Verantwortung - die Exiltibeter und der Westen ebenso wie die Regierung in Beijing (und Lhasa!).

    Die Vorstellung, alle Tibeter in allen tibetischen Gebieten würde sich ihre Zukunft auf die gleiche Weise vorstellen, ist utopisch. Zwischen manchen Teilen Osttibets und Lhasa gibt es größere Unterschiede als zwischen Lhasa und Ladakh oder Tawang - und doch will niemand diese Gebiete mit einbeziehen. Es ist ähnlich illusorisch, wie eine gemeinsame Regierung für alle Deutschsprachigen: von der Nordschweiz, dem Elsass, über Deutschland bis Westpolen. Niemand will das, und in Tibet macht eine nicht auf Lhasa zentrierte, aber besser umgesetzte Autonomie mehr Sinn als eine halbgare zentralistisch auf Lhasa ausgerichtete.

    Daher bleibt meines Erachtens momentan die einzig halbwegs aussichtsreiche Möglichkeit, etwas für die Tibeter in Tibet zu tun, sich für eine bessere Umsetzung dessen, was in China Autonomie genannt wird, hinzuarbeiten. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn Tibeter in Lhasa (ich meine nicht tibetische Kader, sondern die einfach Bevölkerung) so viel Gehör mit ihren Anliegen finden könnten, wie das in Teilen Qinghais (also fern von Lhasa im Nordosten des Hochlands) teilweise – wenngleich noch nicht ausreichend – möglich ist. Ich finde immer mehr, dass kleine Schritt vorwärts schneller voranbringen als jedes Mal schwungvoll gegen die Wand... Dafür scheint mir auch Georg Blume zu plädieren, und ich hoffe, dass mehr und mehr dies ebenfalls erkennen.

  • JK
    Jens Kownack

    Das Sowjetimperium ist auch gefallen, das was keiner früher wagte, dass z.B. die Ukraine unabhängig wird, wurde Wirklichkeit.

     

    Auch das nationalistische Han Imperium der Betonkommunisten in Peking wird fallen, wie jedes Regime, das auf Ungerechtigkeit, Folter und Unterdrückung aufgebaut ist.

  • X
    xiaomage

    @ Carsten

    "keinerlei Optionen außerhalb des Status Quo auch nur theoretisch zulassen würde"

     

    wo schreibt er das?

     

    Der Status Quo ist, dass viele Minderheitenrechte die in der chinesischen Verfassung an sich vorkommen durch die angespannte Lage in Tibet bzw. zwischen Dalai und KP nicht oder nur beschränkt realisiert werden. z.B. Einschränkung der Religionsfreiheit in tibetischen Klöser, weil diese politisch akiv sind.

     

    Mit dem Rückkehr des Dalai Lama in das bestehende System und der Entspannung des Konfliktes, könnte die Umsetzung der Verfassung (z.B. Religionsfreiheit)- mit den damit verbundenen Verbesserung für die tibetische Bevölkerung - ohne Gefahr der Eskalation schnell durchgeführt werden. Ein weiterer Ausbau der Verfassung und Interpretationen im Sinne des Dalai Lamas wären dadurch auch leichter möglicher.

     

    @Nobilitas

     

    "wenn Peking sowieso das ganze Tibet behalten will? " Ja, Peking will das "ganze" Tibet behalten, es geht aber darum, wie stark Peking den Dalai Lama an der Macht teilhaben lässt. Bei den besagten Gebieten stellen die Tibeter eine Minderheit von vielen dar und bei diesen Minderheiten gibt es unter einander erhebliches Konfliktpotential. Der Dalai Lama fordert, dass hier eine Minderheit die politische Macht über eine Mehrheit bekommt. Das ist extrem gefährlich und die Gefahr einer Balkanisierung wäre gegeben.

     

    Übrigens sehr wichtiger Artikel von Blume, der eigentlich auf das Titelblatt der taz gehört.

  • WE
    Wulf Englert

    Ein wirklich kluger Kommentar: Wer die Unabhängigkeit Tibets fordert, ignoriert, dass dem erstens keine chinesische Regierung zustimmen wird und dass zweitens der Westen Chinas ethnisch ziemlich heterogen ist - was wären denn die Grenzen Tibets? Drittens würden dadurch wohl mehr neue Probleme geschaffen als alte gelöst. Die Unruhen im Frühjahr haben ja bereits angedeutet, wie spannungsgeladen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen auch in den tibetischen Kerngebieten sind. Ich denke, dass das realistischste Szenario für eine Verbesserung der Lage der Tibeter Reformen sind, wie sie ganz China zu wünschen wären: Mehr lokale Selbstbestimmung und eine Garantie der bürgerlichen Freiheiten.

    Ein großes Kompliment an die taz, die mit ihrer facettenreichen China-Berichterstattung wirklich eine Ausnahme in der deutschen Medienszene darstellt. Herrn Blume gelingt es immer wieder, Geschichten auch abseits der gängigen Themen zu finden; hier bekommt man einen Eindruck von der Perspektive weiter Teile der chinesischen Bevölkerung.

     

    Wulf Englert, Xiamen, VR China

  • N
    Nobilitatis

    "Groß"tibet dürfte in etwa den historischen Grenzen entsprechen. Der Artikel klingt verlogen. Was ändert die Definition Tibets in seinen historischen Grenzen (wo sowieso viele Tibeter leben, wie man während der Unruhen bemerken konnte), wenn Peking sowieso das ganze Tibet behalten will? "Indiskutabel" ist doch jede Diskussion, Peking braucht die Gebiete der Tibeter, der Uiguren, der Mongolen usw. für sein Imperium. Indiskutabel ist schließlich auch Taiwan, oder andere beanspruchte Gebiete (kleine Inselchen mit Öl usf.).

  • C
    Carsten

    Aber Herr Blume!

     

    Ich lese Ihre Berichte auch China ja immer mit großem Interesse und Sympathie für sowohl sie als auch das Land, aus dem Sie berichten.

     

    Aber: Zu kritisieren, daß die Tibeter die innerchinesiche Tibet-Debatte nicht hinreichend wahrnehemen, während Sie gleichzeitig schreiben, daß diese Debatte sowieso keinerlei Optionen außerhalb des Status Quo auch nur theoretisch zulassen würde, ist doch etwas verquer.

     

    Vielleicht ist etwas mehr Urlaub aus dem Land, aus dem Sie berichten, und das ich ja auch sehr mag und dem ich positive Entwicklungen jedweder Art nur wünsche, angesagt?

  • S
    Schauer

    Dass er es ehrlich meint, soll nicht bezweifelt werden. Dennoch möchte man ihm wünschen, dass es ihm endlich gelänge, sich dieses unglaubwürdige Grinsen abzugewöhnen.