Kommentar Teilzeitarbeit: Frauen an Herd und Kasse
Eine Rücknahme des Teilzeitrechts würde dazu führen, dass künftig noch weniger der dringend erwünschten Akademikerkinder zur Welt kommen.
D er Vorsitzende des Industrie- und Handelskammertages fordert, den Rechtsanspruch auf Teilzeit einzuschränken: Durch eine solche "Entfesselung" des Arbeitsmarkts entstünden neue Jobs, behauptet Hans Heinrich Driftmann. Zum Glück hat der Köllnflockenproduzent mit seinem Vorschlag wenig Chancen. Denn schon heute hat Deutschland die niedrigste Geburtenrate in der EU, und eine Rücknahme des Teilzeitrechts würde dazu führen, dass künftig noch weniger der dringend erwünschten Akademikerkinder zur Welt kommen.
Im Gegensatz zu den meisten arbeitsmarktpolitischen Neuerungen von Rot-Grün kam das Recht auf Teilzeit den Beschäftigten zugute. Ziel war es, vor allem für hoch Qualifizierte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Dahinter stand nicht nur die Einsicht, dass es volkswirtschaftlich absurd ist, Massen von Frauen mit Hochschuldiplom dauerhaft hinterm Herd verblöden zu lassen. Zunehmend fehlen den Firmen auch Fachkräfte. Was in der Gegenwart bereits in einigen Branchen ein ernsthaftes Problem darstellt, wird sich aufgrund des allgemeinen Nachwuchsmangels bald radikal verschärfen. Gerade ein Land, in dem Bildung so stark wie fast nirgendwo sonst von der Herkunftsfamilie abhängt, kann es sich nicht leisten, Hochqualifizierte mit Kinderwunsch zu verschrecken. Weder die eigenen Mitglieder noch die Bundesregierung werden dem 62-jährigen Verbandsfunktionär deshalb folgen.
Politisch auf die Tagesordnung gehört dagegen das viel größere Teilzeitproblem, das Rot-Grün geschaffen hat. Gerade im Handel und anderen schlecht bezahlten Branchen wurden hunderttausende Vollzeitstellen in Minijobs zerlegt. Die betroffenen Frauen sind nun wieder abhängig von Mann oder Vater Staat. Dieser Rollback ist real.
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