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Selbstverständlich ist es tragisch, wenn Menschen in einem Brand umkommen, und den Angehörigen gilt mein Beileid.
Aber wenn sie beim Trauern sich einen solchen Tatort nicht anschauen wollen - was ich verstehen kann - sollten sie ihn nicht einschalten. Das läßt die Meinungsfreiheit zu.
Ein Tatort erzählt eine fiktive Geschichte. Den Unterschied zwischen Wahrheit und Fiktion sollte man in der Kindheit gelernt haben.
Deshalb halte ich es für vollkommen falsch, ein solche Unterhaltungsangebot zu (selbst-)zensieren! Es bringt nichts, da niemand gezwungen wird, diesen Tatort zu sehen, und es zeigt eine gefährliche Geringschätzung der Meinungsfreiheit.
In Hamburg ermittelt demnächst Cenk Batu, gespielt von Mehmed Kurtulus. Bevor weitere Nachfragen kommen: Cenk ist ein türkischer Name. Was die Integrationswilligkeit oder auch die Überanpassung angeht, muss sich die ARD keine Vorwürfe machen lassen.
Der aus Italien (Kopper an der Seite von Odenthal) oder der aus München (Batic)? Oder gar der ganz alte Hase Schimanski?
Migranten tauchen in ARD-Krimis nur in Zusammenhang mit Klischeethemen auf? Mir fällt da spontan eine Serie ein, in der ein Migrant regelmäßig als Kommissar auftritt.
Die Parteien der Mitte meinen, mit empathischer Kümmerergeste „das Ossi“ für sich gewinnen zu können. Sie sollten sie lieber zum Mitwirken auffordern.
Kommentar "Tatort"-Verschiebung: Pietät und Populismus
Wegen des Brands in Ludwigshafen wird eine "Tatort"-Folge verschoben. Das ist nicht so absurd, wie es demnächst scheint.
Es ist schon häufiger vorgekommen, dass ein Fernsehfilm aus aktuellem Anlass verschoben wurden. Nach dem Schock vom 11. September 2001 erschien es vielen unangebracht, im deutschen Fernsehen Spielfilme zu zeigen, in denen ein Terroranschlag eine US-Großstadt verwüstet - und von solchen Filmen gibt es sehr viele. Nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien vor vier Jahren waren Filme verpönt, die von Überschwemmungen und Flutwellen handelten; einige Radiosender strichen damals sogar den Song "Die perfekte Welle" der Band Juli aus dem Programm.
Die Entscheidung, aufgrund des tragischen Brands in Ludwigshafen einen für kommenden Sonntag geplanten "Tatort"-Krimi zu verschieben, ist daher nicht so absurd, wie es zunächst scheint. Schließlich soll der Krimi unter türkischen Migranten in Ludwigshafen spielen. Dort aber sind am Wochenende neun Menschen ums Leben gekommen, Dutzende liegen noch im Krankenhaus. Seit auch noch die Vermutung kursiert, es könnte ein rassistisch motivierter Anschlag gewesen sein, ist das Klima in der Stadt mehr als angespannt.
Es dürfte allerdings nicht nur Pietät gewesen sein, die SPD-Chef Kurt Beck bewogen hat, sich als Erster öffentlich für eine Verschiebung des "Tatorts" stark zu machen. Schließlich war Beck gerade von türkischer Seite scharf kritisiert worden, weil er die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Anschlags zunächst in Abrede gestellt hatte. Gut möglich, dass es ihm nun darum ging, mit einer populistischen Forderung wieder Boden gutzumachen. Nur ist es nicht sein Aufgabe, sich über das Programm öffentlich-rechtlicher Sender Gedanken zu machen: Das obliegt deren Intendanten.
Politiker müssen mit Besonnenheit auf die Spekulationen reagieren, in Ludwigshafen könnte ein Rechtsradikaler einen Anschlag verübt haben. Es ist gut, dass Beck und Erdogan in Ludwigshafen versuchten, die Wogen zu glätten. Die ARD dagegen muss sich fragen, warum Migranten in ihren "Tatort"-Krimis eigentlich nur im Zusammenhang mit Klischeethemen wie Zwangsehen auftauchen. Wie wäre es mal mit einem Börsenspekulanten türkischer Herkunft? Dann gäbe es sicher weniger solcher Debatten.
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Kommentar von
Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”