piwik no script img

Kommentar Tarif-EinigungDie Lokführer haben gewonnen

Kommentar von Sebastian Schreiber

Die GdL hat in zwei Puntken gewonnen: Mehr Lohn und einen eigenständigen Tarifvertrag. Ihr Sieg ist ein Ansporn für andere kleine Gewerkschaften.

Es hat sich gelohnt: Die Lokführergewerkschaft geht eindeutig als Sieger aus dem längsten Tarifstreit der Nachkriegsgeschichte hervor. Die beiden wichtigsten Ziele, die die GDL sich gesetzt hatte, sind erreicht.

Erstens: Es gibt deutlich mehr Geld. Nicht 31 Prozent mehr, wie am Anfang als Forderung ausgegeben. Aber damit hat sowieso niemand gerechnet. Am Ende werden es 11 Prozent mehr sein - und die Arbeitszeit wird um eine Stunde verkürzt. Das ist ein ordentliches Ergebnis. Und wenn Bahn-Vorstand Suckale sagt, dass die Grenzen der Wirtschaftlichkeit damit überschritten seien, muss das niemanden in Unruhe versetzen. Höchstens die Investoren, die eine hochprofitable Bahn zum Schnäppchenpreis kaufen wollen. Sie werden möglicherweise etwas weniger Rendite erzielen.

Zweitens: Die GDL hat ihren eigenständigen Tarifvertrag. Wie dieser genau in das mit den anderen Bahngewerkschaften abgestimmte Regelwerk eingefügt wird, ist noch unklar. Sicher ist aber: Die GDL sitzt künftig am Verhandlungstisch, wenn über Löhne und Arbeitszeiten gestritten wird, und nicht mehr auf dem Flur. Dagegen hatten sich unter Verweis auf die Solidarität unter den Beschäftigten am Anfang nicht nur Transnet und GDBA gewehrt. Auch Bahn-Chef Mehdorn wollte sich Tarifverhandlungen mit einer Gewerkschaft, die nicht in die große Dachorganisationen eingebunden ist, sparen. Er wird sich daran gewöhnen müssen. Was lehrt nun dieser Arbeitskampf mit Blick auf die zukünftige Tariflandschaft in Deutschland? Nach Cockpit und dem Marburger Bund hat zum dritten Mal eine kleine Gewerkschaft den großen vorgemacht, dass bessere Abschlüsse möglich sind. Sie haben hemmungslos die Macht genutzt, die ihnen ihre Mitglieder geben. Denn tatsächlich stehen Zug, Flugzeug und Krankenhäuser still, wenn Lokführer, Piloten und Ärzte es wollen. Man kann ihnen Mangel an Solidarität vorwerfen. Man kann das aber auch als Ansporn sehen. Wenn sich Transnet, Ver.di und Co in den kommenden Runden ebenfalls weniger schnell zufriedengeben, dann profitieren künftig alle Beschäftigten vom neuen Wettbewerb der Gewerkschaften.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!