Kommentar Syrien: Syrisches Roulette
Syriens Präsident Assad geht planmäßig vor und hat mächtige Unterstützer. Die internationale Gemeinschaft zögert einzugreifen, weil Syrien mit dem Iran verbündet ist.
I n Syrien lässt das Regime von Baschar al-Assad die Opposition Stadt für Stadt niederkämpfen. Gestern Daraa, heute Baniyas, Homs oder die Vorstädte von Damaskus. Truppen der Machthaber riegeln die Städte ab und dringen mit Panzerverbänden ein. Von überall die gleichen Informationen: Scharfschützen schießen auf Männer, Frauen und Kinder.
Assads Geheimdienstschergen gehen bei ihrem Werk planmäßig vor. Mit Namenslisten potenzieller Oppositioneller ausgestattet, schlagen sie brutal zu. Staatsterror und Einschüchterung pur. Unterstützt wird das Regime von der libanesischen Hisbollah und – was viel schwerer wiegt – von Iran selbst. Deswegen zögert die internationale Staatengemeinschaft noch mehr als im Falle Libyens zu intervenieren, um dem mörderischen Assad-Clan endlich das Handwerk zu legen.
Denn wer Assad angreift, dürfte sich ab diesem Moment auch im offenen Krieg mit Iran befinden. Und Syrien sowie Iran sind militärisch und geostrategisch von ganz anderem Kaliber als Libyen mit seinen 6 Millionen Einwohnern. Syrien zählt 20 Millionen Einwohner, der Iran 80. Zudem sind die Militärapparate, auch die paramilitärischen, dort viel schwerer territorial zu lokalisieren und auszuschalten als die in Libyen.
ist Leiter des Kultur-Ressorts der taz.
Völkerrechtlich wäre das Niedermetzeln der eigenen Bevölkerung Grund genug für eine Intervention. Doch wer möchte eine Irakisierung der dortigen Situation riskieren? In Syrien müsste die Staatengemeinschaft militärisch helfen, sofern Aufständische um entsprechende Hilfe bitten und erfolgversprechende Oppositionsstrukturen existieren. Noch scheint es nicht so weit. Doch das zeigt Assads Vorgehen auch: Ein "friedlicher" Regimewechsel ist in Syrien allenfalls als Putsch denkbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld