Kommentar Syrien: Assad wird immer grausamer
Syriens Ministerpräsident Riad Hijab hat sich nach Jordanien abgesetzt und angeblich dem syrischen Widerstand angeschlossen. Das heißt aber noch nicht viel.
E in Deserteur macht noch keinen Umsturz. Selbst wenn er aus dem engsten Kreis um den syrischen Machthaber kommt: Riad Hijab, vor zwei Monaten erst ins Amt des Ministerpräsidenten berufen, hat sich mitsamt seiner Familie nach Jordanien abgesetzt und angeblich dem syrischen Widerstand angeschlossen. Er ist der Erste aus der politischen Führungsriege, der Baschar al-Assad den Rücken kehrt – abgesehen von den bisherigen Botschaftern im Irak, in Zypern und den Emiraten.
Rund dreißig syrische Generäle sind bisher zur Opposition übergelaufen und agieren heute von der Türkei aus. Prominentester unter ihnen der Sohn des ehemaligen Verteidigungsministers, Brigadegeneral Manaf Tlass – bis vor Kurzem ein persönlicher Freund Assads. Maßgeblichen Einfluss auf den Lauf der Dinge im Land haben diese „Abgänge“ kaum gehabt. Aber sie konterkarierten die Behauptung des Präsidenten, die Mehrheit des Volkes stehe weiterhin hinter ihm. Wie soll das wahr sein, wenn ihm schon die engsten Weggefährten untreu werden?
Es ist einsam geworden um Baschar al-Assad, aber ihn ficht das nicht an. Vielleicht, weil ihm längst klar ist, dass der Bürgerkrieg in seinem Land keine Alternative zulässt: Wenn er nicht als Unperson in der Versenkung irgendeines obskuren Exils verschwinden will wie Tunesiens Exdiktator Ben Ali, muss Assad auf Gedeih und Verderb den Konflikt durchstehen.
PETER PHILIPP ist Autor der taz und Nahost-Experte der Deutschen Welle.
Selbst wenn ihn dabei das Los Muammar al-Gaddafis ereilen sollte oder – sicher viel zu optimistisch – das des ägyptischen Expräsidenten Husni Mubarak. Selbst wenn das Land dadurch in noch größerem Blutvergießen versinkt und ethnische wie religiöse Gruppen beginnen, aufeinander loszugehen, die in Syrien die meiste Zeit besser haben miteinander auskommen können als in den meisten anderen Teilen der arabischen Welt.
Änderung wird nicht ein desertierter Politiker oder Botschafter bringen, auch kein General. Ihr Frontenwechsel ist aber ein Symptom für den kaum noch aufhaltbaren Niedergang der syrischen Minderheitendiktatur. 41 Jahre Assad-Herrschaft, begründet von Vater Hafis, beendet mit Sohn Baschar. Noch ist es nicht so weit. Der Kampf weitet sich aus und produziert tagtäglich neue Fronten, und die Welt ist unfähig, mäßigend einzuwirken. Und bedrückend ist: Es kann immer noch schlimmer kommen.
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