Kommentar Syrien: Es wird noch viel schlimmer

Für die Politik des Abwartens werden auch die europäischen Staaten zahlen müssen. Die syrischen Flüchtlinge werden es in absehbarer Zeit auch in ihre Staaten schaffen.

Die Prognosen sind erschreckend. Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien wird sich mehr als verdoppeln oder sogar verdreifachen. Die Nachbarstaaten Jordanien, Türkei und Libanon sind bereits jetzt mit rund 400.000 Flüchtlingen am Ende ihrer Aufnahmekapazität angelangt. Die Ressourcen in diesen Staaten sind begrenzt. Die Flüchtlinge benötigen aber Wasser, Nahrung, Strom, medizinische Versorgung und eine Unterkunft.

Immer mehr Menschen, die derzeit innerhalb Syriens auf der Suche nach Schutz und Sicherheit sind, werden überdies dazu gezwungen sein, die Grenzen zu überqueren, um ihr bloßes Leben zu retten. Der Bürgerkrieg im Lande wird an Grausamkeit und Brutalität noch einmal deutlich zunehmen. Das wird die Nachbarn Syriens vor riesige Probleme stellen.

Derzeit werden rund 1,5 Millionen Menschen innerhalb Syriens vom World Food Programm (WFP) notdürftig versorgt. Wenn die militärische Lage eine solche Versorgung nicht mehr zulässt, werden diese Menschen zu den Grenzen drängen. Die Ankunft von rund 11.000 Menschen am Wochenende ist ein Hinweis darauf, wie schnell und dramatisch sich die Situation verschärfen kann und wird.

Derzeit ist die syrische Opposition nicht in der Lage, den Krieg zu ihren Gunsten zu entscheiden. Die Ergebnisse der politischen Verhandlungen der Opposition in Doha sind vorerst kaum mehr als vage Versprechen auf eine zukünftige Einheit und Zusammenarbeit. Und die internationale Gemeinschaft zeigt nach wie vor keinerlei Neigung, sich stärker in diesem Konflikt zu engagieren.

Die Folge dieser Politik des Abwartens ist klar: die europäischen Staaten werden zahlen müssen. Und sie werden damit rechnen dürfen, dass syrische Flüchtlinge es in absehbarer Zeit auch bis in ihre Staaten schaffen. Die CDU will ja jetzt immerhin schon mal die christlichen Syrer aufnehmen. Das ist zwar diskriminierend, aber wenigstens ein Anfang.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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