Kommentar Subventionsirrsinn: Der ewige deutsche Skandal
Es ist immer die gleiche Frechheit: Die Landwirtschaftsministerien rücken Infos erst raus, wenn es nicht mehr anders geht. So auch bei den Agrarsubventionen.
N un hat doch tatsächlich das Bundeslandwirtschaftsministerium wieder einen Vorwand gefunden, die Zahlen zu den Agrarsubventionen in Deutschland nicht zu veröffentlichen. In ein paar Wochen vielleicht, man warte noch ein paar Urteile ab, heißt es heute. Geklagt hatten Empfänger von EU-Mitteln, die nicht wollen, dass ihre Eurosummen bekannt werden. Diese sechs Milliarden Euro jährlich erhalten sie über den Umweg Brüssel von den deutschen Steuerzahlern.
Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Ministerin Ilse Aigner (CSU) steht damit in strammer Tradition mit all ihren Vorgängern im Amt – ausgenommen vielleicht die Grüne Renate Künast. Es geht um etwa ein Drittel des EU-Etats, das für landwirtschaftliche Produkte direkt gezahlt wird. Das Geld geht zu einem großen Teil an die falschen Leute und für einen falschen Zweck. Statt Umweltschutz, Arbeitsplätzen und Zukunftsfähigkeit der ländlichen Regionen fördern die Milliarden die Lebensmittelindustrie und die Großbauern.
Von den Empfängern will natürlich keiner, dass die Steuerzahler das en Detail erfahren. Denn nur wenn es konkret wird, kann man sich konkret aufregen als Wähler. Auch die Politik will die Rosstäuschereien in diesem Bereich fortführen, sie haben sich ja für sie bewährt. Der EU-Rechnungshof bemängelt, dass vor allem in Deutschland allerhand schief läuft bei der Subventionsverteilung – ohne Folgen.
Es ist immer die gleiche Frechheit, bei diesem Bundesministerium wie bei den entsprechenden Landesministerien: Es wird erst veröffentlicht, wenn es nicht mehr anders geht. Das ist auch bei Lebensmittelskandalen so, bei Arbeitsbedingungen, bei verpfuschten und überkomplizierten Vorschriften zur Kennzeichnung und so weiter. Ein paar Beispiele jenseits der Subventionen: Keine einfache Ampel-Kennzeichnung von Nährwerten auf der Verpackung, keine zentralen Websites mit Betrieben, die bei Lebensmittelkontrollen aufgefallen sind, lausige Bio- und Gentechnik-Kriterien. Es sind Ministerien zur Befriedung der Konsum- und Lebensmittelindustrie. Mit Steuergeldern im Zweifel gegen den Verbraucher - ein ewiger Skandal.
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