Kommentar Studiengebühren: Länder hindern Jugendliche am Lernen
Die Bundesländer gehen extrem lässig mit internationalem Recht um. Vielleicht hilft's, wenn sie ins Genf mal eine auf die Mütze bekommen.
Es hat etwas von Petzen. Die Studierenden und die GEW haben gerade einen Bericht an die Vereinten Nationen nach Genf gesandt, dessen Inhalt sich ungefähr so beschreiben lässt: Hallo, liebe UN, wir können uns gegen die bösen, bösen Wissenschaftsminister hier nicht mehr helfen. Also helft uns im Kampf gegen das Bezahlstudium!
Was die organisierten Studierenden nicht verstanden haben: Die Sache mit dem Bezahlstudium ist durch. Auch die Vereinten Nationen werden keine Blauhelmtruppen nach Deutschland entsenden, um Gebühren zu verhindern. Dafür sind, mit Verlaub, die Studienpreise in Höhe von 83 Euro monatlich ein bisschen zu lächerlich. Es gibt weiß Gott schlimmere Verletzungen des Rechts auf Bildung - auch in Deutschland.
Das ist aber nur die eine, gewissermaßen die geschmackliche Seite des Brandbriefs nach Genf.
Die andere Seite ist: Die Bundesländer gehen in der Tat extrem lässig mit internationalem Recht um. Wenn die Bundesrepublik den UN-Pakt für soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet - und das hat sie getan -, dann sollte sie ihn gefälligst auch durchsetzen. Aber in Sachen Bildung gilt das Völkerrecht für Deutschland offenbar nicht: Die Länder verstoßen reihenweise gegen internationale Konventionen. Sie führen also gerade munter das Bezahlstudium ein, obwohl die Bundesrepublik versprochen hat, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Studiengebühren abzuschaffen. Sie sperren behinderte und besondere Kinder in ein pädagogisch miserables Sonderschulwesen, obwohl Deutschland international garantiert hat, dies nicht zu tun. Und die Länder verweigern Flüchtlingskindern das Recht auf Schulbesuch, obwohl die Bundesregierung die Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat.
Es ist der Bundesrepublik zu wünschen, dass sie in Genf mal ordentlich eins auf die Mütze bekommt. Vielleicht nehmen dann auch die nationalen Gerichte völkerrechtliche Vereinbarungen ernst. Es würde den Jugendlichen helfen, die von den Ländern direkt oder indirekt am Lernen gehindert werden. CHRISTIAN FÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rassismus der CDU
Merz will Doppelstaatler ausbürgern
Dreikönigstreffen der FDP
Lindner schmeißt sich an die Union ran
Neunzig Prozent E-Autos bei Neuwagen
Taugt Norwegen als Vorbild?
Regierung in Österreich
Warnsignal für Deutschland
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Nach Unfällen zu Silvester
Scholz hält Böllerverbot trotz Toten für „irgendwie komisch“