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Kommentar Studenten-Tod in RegensburgMangelnde Transparenz

Kommentar von Bernhard Hübner

Die Staatsanwaltschaft wirkt nicht sehr interessiert an der Aufklärung des gewaltsamen Tods des Regensburger Musikstudenten. Wichtige offene Fragen sollten vor Gericht geklärt werden.

Polizei erschießt friedlichen, schmächtigen Studenten. Es ploppen sofort die hohlsten Klischees von schießwütigen, gewaltbereiten Polizisten im Kopf auf, wenn man von dem gewaltsamen Tod des Regensburger Musikstudenten Tennessee Eisenberg hört. Tatsächlich lässt sich das, was am 30. April 2009 in Regensburg passierte, kaum derart einfach erklären. Die an dem desaströsen Einsatz beteiligten Polizisten wirkten in ihren Zeugenaussagen weder zynisch noch gewaltbereit, sondern vielmehr geschockt. Sie hatten Todesangst, als Eisenberg in einer - wie es der Staatsanwalt nennt, "psychischen Ausnahmesituation" - mit einem Messer in der Hand auf sie zuging. Schossen sie aus Notwehr? Gut möglich. Sicher ist es aber nicht.

Schon wenige Wochen nach der Tat legte sich die Staatsanwaltschaft fest; es sei Notwehr gewesen. Besonders interessiert an der Aufklärung wirkte sie nicht. Die Hinterbliebenen Eisenbergs mussten Spenden sammeln, um Anwälte und Gutachter zu bezahlen. Und tatsächlich: Die fanden erhebliche Widersprüche. Es sind kleine, aber entscheidende Details. Ging Eisenberg mit dem Messer auf einen Beamten los, oder drehte er ihm den Rücken zu, als der erste Schuss fiel? Stand der Polizist, der die letzten, tödlichen Schüsse in Eisenbergs Brust abfeuerte, auf der Schwelle der offenen Haustür, oder war die Tür geschlossen und der Polizist in der Falle? Diese Fragen entscheiden, ob Eisenbergs Tod hätte vermieden werden können. Sie sollten vor Gericht geklärt werden.

Die Regensburger Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt sehen das anders. Sie wollen keine Anklage erheben. Dabei hätten die Polizisten in einem Gerichtsverfahren nur wenig zu befürchten. Für eine Verurteilung sind die Fakten wohl zu widersprüchlich. Dafür böte eine Gerichtsverhandlung das, was derzeit dringend fehlt: Transparenz. Dies wäre der einzig mögliche würdige Abschluss des Falls Eisenberg.

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2 Kommentare

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  • H
    Hohburg

    Der taz-Kommentar „Für eine Verurteilung sind die Fakten wohl zu widersprüchlich.“ ist krass abwegig; denn offen ist die neutrale Ermittlung und Wertung von Fakten. Zu widersprüchlich ist einzig die Einstellungsbegründung!

    Anders als die Staatsanwaltschaft muss sich ein Gericht nicht an Weisungen der Justizministerin Merk halten. Ein Gericht wird viele Belege nutzen, die die taz nicht kennt, und kann weiteren Beweis erheben. Im Rechtsstaat darf niemand empfehlen: Macht mal ausnahmsweise eine kosmetische Klage gegen Polizisten, WEIL wir gute Freispruchschancen sehen.

  • B
    Bernd

    Zitat:

     

    "Dabei hätten die Polizisten in einem Gerichtsverfahren nur wenig zu befürchten. Für eine Verurteilung sind die Fakten wohl zu widersprüchlich. "

     

    Obwohl ich es dann auch für Verschwendung von öffentlichen Mitteln halte, sehe ich den Punkt eines klärenden Gerichtsverfahrens: Dann wäre es eben richterlich bestätigt, daß die Polizisten in Notwehr gehandelt haben.

     

    Schießwütig ist die deutsche Polizei nur in wirren, linksextremen Gehirnwindungen - aber nicht in der Realität.