Kommentar Strompreise: Wechselnde Winde
Negative Strompreise wird es künftig an der Börse häufiger geben. Dass die Preise dauerhaft unten bleiben, dass werden die Stromkonzerne schon zu verhindern wissen.
W enn der Wind weht, purzeln die Strompreise an der Börse. Denn schließlich steht plötzlich viel Strom zur Verfügung, der sonst in Kohle- oder Atomkraftwerken produziert wird. Weil diese nicht so schnell heruntergefahren werden können, steigt das Angebot, was zu sinkenden Preisen führt.
Bricht dann auch noch die Nachfrage weg, wie jüngst am zweiten Weihnachtstag, dann kostet Strom plötzlich gar nichts mehr. Da aber die Windenergie ausgebaut wird, die Atomkraftwerke länger laufen und neue Kohlekraftwerke geplant sind, dürfte das Phänomen des negativen Strompreises an der Börse keine Seltenheit mehr bleiben.
Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass davon die Verbraucher profitieren. Denn dazu müsste der Preis dauerhaft in den Keller gehen – und so weit wollen es die Energiekonzerne dann doch nicht kommen lassen. Sie werden vielmehr für ein geringeres Stromangebot sorgen. Dass sie dafür auch nur einen Atommeiler früher abschalten, ist nicht zu erwarten – schließlich bringt der rund eine Million Euro pro Tag. Auch die neuen geplanten Kohlekraftwerke dürften sie nicht zur Debatte stellen.
Stephan Kosch ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Es ist also absehbar, dass die erneuerbaren Energien wieder ins Visier der Kohle- und Atomlobby kommen. Denn wenn die unstet produzierenden Windparks immer wieder die Wirtschaftlichkeit konstant laufender konventioneller Kraftwerke bedrohen, wird das einen ernormen Druck auf die Politik erzeugen. Und möglicherweise verzichten dann Eon, RWE und Co doch lieber auf das ein oder andere Windrad auf hoher See, das sie eigentlich bauen wollen.
Jedes neue Kohlekraftwerk manifestiert also den Status quo der Energierzeugung und bedroht den Ausbau der erneuerbaren Energie. Deshalb muss jeweils genau geprüft werden, ob ein flexibler zu steuerndes Gaskraftwerk nicht die bessere Lösung wäre. Denn das kann man abschalten, wenn der Wind in Zukunft kräftig weht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins