Kommentar „Stiller Freitag“: Wer tanzen will, soll tanzen!
Feierverbot am Karfreitag? Zu einem toleranten Miteinander gehört es, dass christliche Bräuche nicht der gesamten Bevölkerung aufgezwungen werden.
D er Karfreitag ist unbestritten einer der höchsten Feiertage der Christenheit, den alle ihre Konfessionen begehen. Im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit ist das ihr gutes Recht. Wer an diesem Tag zum Gottesdienst gehen, an einer Prozession teilnehmen oder auch nur zu Hause still der Kreuzigung von Jesus Christus gedenken will, der soll das tun.
Deswegen ist es auch völlig in Ordnung, dass Karfreitag in der gesamten Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag ist - so wie man sich das in einer pluralen Gesellschaft auch für das islamische Opferfest, den jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur oder das Vesakhfest der Buddhisten wünschen würde.
Es verletzt allerdings das weltanschaulich neutrale Selbstverständnis des Staats, wenn der Gesetzgeber Andersgläubigen oder nicht religiösen Menschen vorschreibt, was sie an einem christlich-begründeten "stillen Feiertag" zu tun oder zu lassen haben.
Niemand käme auf die Idee, vergleichbare Verbote für den 1. Mai zu fordern. Dass am "Tag der Arbeit" ausschließlich die Teilnahme an den traditionellen DGB-Demonstrationen erlaubt sein sollte, fänden sogar die Gewerkschaften abstrus.
Auch wenn sich die konkreten Karfreitagsregelungen in Umfang und Durchsetzung von Bundesland zu Bundesland unterschieden, so haben sie allesamt gemeinsam, dass sie die persönliche Freiheit massiv einschränken.
So sind beispielsweise im Rot-Grün regierten Nordrhein-Westfalen über den kompletten Karfreitag hinweg sämtliche sportlichen, musikalischen oder sonst wie der Unterhaltung dienenden Veranstaltungen nicht erlaubt.
Auch dürfen nur Filme vorgeführt werden, die "vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind". Öffentlicher Tanz ist an Rhein und Ruhr sogar von Gründonnerstag 18 Uhr bis Ostersamstag um 6 Uhr untersagt. Daran zeigt sich, wie groß immer noch der Einfluss der christlichen Religionsgemeinschaften auf das Zusammenleben in Deutschland ist.
Zu einem toleranten Miteinander gehört es zu akzeptieren, dass nicht länger christliche Gebräuche der gesamten Bevölkerung aufgezwungen werden dürfen, wo doch längst nur noch eine Minderheit den christlichen Glauben praktiziert. Wer beten will, soll beten - wer tanzen will, soll tanzen. Das gebietet der gegenseitige Respekt in einer säkularen Gesellschaft. Jeder nach seiner Fasson eben.
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