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Kommentar SteuersenkungenErste Schritte der Erkenntnis

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Die Mehrheit der Deutschen lehnt die populistischen Steuersenkungen von Union und FDP ab. Endlich. Vielleicht bekommen sie so ein rationaleres Verhältnis zum Staat.

R und 24 Milliarden Euro will die Bundesregierung den Bürgern an Steuern erlassen - und nun lehnt eine deutliche Mehrheit laut einer aktuellen Umfrage ebendies ab. Die Stimmungslage dürfte kaum der Erkenntnis entsprungen sein, ein finanzstarker Staat sei doch nicht so böse wie vielfach propagiert. Selbst Marktradikale sorgen sich schlicht über die Rekordverschuldung und die weiteren anstehenden Krisenkosten.

FDP und Union sind mit der populistischen Behauptung angetreten, großzügige Steuerentlastungen würden schon für den Aufschwung sorgen. Und da die meisten Bürger den Zusammenhang zwischen Steuern und Sozialabgaben eh nicht verstehen, so die Unterstellung, falle dann nicht weiter auf, wenn zur Gegenfinanzierung die Sozialbeiträge steigen.

Dank der Privatisierungspolitik der vergangenen Jahre war der Staatshaushalt schon vor Ausbruch der Krise sehr knapp bemessen. Im EU-Vergleich steht nur in Spanien, Portugal und Griechenland der öffentlichen Hand pro Bürger noch weniger Geld zur Verfügung (bei den Griechen zeigen sich gerade die Folgen). Was hierzulande vom geschrumpften Staatshaushalt übrig ist, wird zum Großteil verschlungen von den Zuschüssen für das Rentensystem.

Auch das Arbeitslosengeld II und Zuschüsse für die Krankenversicherungen machen einen großen Batzen aus. Wird der Topf noch kleiner, bleiben folglich kaum Alternativen, als diese Zuschüsse zu kappen. Wenn Schwarz-Gelb nun also Steuersenkungen verspricht, wird dies auf Kosten des Sozialversicherungssystems gehen: Die Beiträge steigen.

Die Umfrage ist eine Momentaufnahmen; aber vielleicht auch ein erster Schritt der Bürger zu einem rationaleren Verhältnis zum Staat - einem, der finanziell was reißen kann.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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1 Kommentar

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  • J
    jojo

    der artikel ist diskussionswürdig, weil er ein GRUNDSÄTZLICHES problem anspricht. ZUNÄCHST: was soll der staat "reissen"? spekulationsdefizite systemwichtiger banken wie zuletzt? erziehungsgeld für besserverienende bei gleichzeitiger kappung des kindergeldes ärmerer (polotik von der leyen)? DARÜBER könnte man sich immerhin noch streiten, wenn es ein FORUM dafür gäbe, in dem dem der steuerbürger eine reale stimme hätte.

     

    FAKTISCH ist es eine immer kleiner werdende gruppe von arbeitenden bürgern, die mit steuern und abgaben (über 50% eines "mittleren" einkommens, das dank des scheidungsrechts von unterhaltsverpflichtungenauf auf den selbstbehalt zurückgestaucht werden kann = lebensniveau hartz iv bei u.u. gerichtlich verordneter "erhöhter erwerbsobliegenheit", sprich: zusätzlicher arbeitsverpflichtung ohne auch nur EINEN cent davon in der eigenen tasche zu haben) das unbezahlbar gewordene "system" finanziert.

     

    dass diese mehrheit GEGEN steuersenkungen ist, ist rational - aber deshalb ist sie nicht fürt DIESEN staat, sondern am ehesten noch für GERECHTE steuern (auch für spitzenverdiener, boni-empfänger etc.), nicht für DIESE.

     

    dass wir sparen müssen, weiß jeder (das maskulinum ist beabsichtigt und berechtigt). die meisten tun es, weil sie müssen. schön wäre, wenn der staat seinerseits dasselbe einsähe. nicht durch einnahgme-, sondern durch ausnahmekürzungen, die in 100 jahren einnahme- (steuer-)kürzungen für unsere enkel hoffentlich möglich machen können. wenn es noch enkel gibt. und nicht der nachwuchs und diue demographie von steuerfreiheiten für absahner in den oberen gehaltsklassen gefressen worden sind.

     

    BOTSCHAFT AN DIE TAZ: denkt auch mal an die, die das system durch ihre arbeit finanzieren (die mittlerweile oft reine sklavenarbeit OHNE jegliche "mittelständische" lebensbasis ist - hartz iv wird in einigen jahren luxus für die "working poor" sein, die offiziell zwar nicht "poor" sind, weil alles von "fiktiven einnahmen" - so lautet ein für berechnungen relevanter juristischer begriff - und "brutto-beträgen" aus berechnet wird, die einen "mitteltand" in den offiziellen statistiken immer noch konstruieren. ein kollege (unterhaltssklave) hat mir kürzlich vorgerecvhnet, dass ihm von den 100.000 euro (hört sich toll an, nicht?), die unser chef für ihn IM JAHR bezahlt, weniger als zehn prozent übrigbleiben. wer mag das aufs monat umrechnen? und davon ist ALLES zu bezahlen, was für offiziell anerkannte sozialfälle der staat übernimmt...