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Kommentar SteuerschätzungDer Arme ist der Dumme

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Vor allem Verbraucher und abhängig Beschäftigte finanzieren den Staat. Die Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon. Das muss geändert werden.

D ie Steuereinnahmen steigen, hat die neueste Schätzung ergeben - aber wer zahlt eigentlich für den Staat? Auch darauf findet sich eine Antwort in den Daten, und sie lautet kurz zusammengefasst: Es sind vor allem die Verbraucher und abhängig Beschäftigten, die den Staat finanzieren. Die Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon.

Schon im Detail ist das deutsche Steuersystem sehr merkwürdig. So gehört es zu seinen Wundern, dass die Tabaksteuer ungefähr genauso ertragreich ist wie die Körperschaftsteuer, die von den Aktiengesellschaften und GmbHs gezahlt wird. Wer in die Steuerstatistik blickt, könnte glauben, dass Raucher reich sein müssen, da sie doch so viel abliefern wie die großen Konzerne.

Dieses bizarre Missverhältnis hat System. Ganz generell gilt, dass vor allem die Konsumenten für den Staat aufkommen, indem sie unter anderem Mehrwertsteuer, Energiesteuer, Lottosteuer, Tabaksteuer oder Versicherungssteuer zahlen. Die Steuern auf Gewinne und Einkommen hingegen sinken beständig - und machten zuletzt nur noch 39,2 Prozent der Staatseinnahmen aus.

Diese Verschiebung ist dramatisch, denn die Verbrauchsteuern zahlen bekanntlich alle. Und alle zahlen den gleichen Satz, Arme wie Reiche.

Bild: taz

ULRIKE HERRMANN ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Offiziell gilt in Deutschland, dass nach Leistungsfähigkeit besteuert werden soll. Der technische Begriff heißt "Progression". Doch tatsächlich werden die progressiven Einkommensteuern immer unbedeutender.

Die Steuerreformen von Rot-Grün und Schwarz-Rot waren eben nicht folgenlos. Es macht sich bemerkbar, wenn der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent sinkt - oder wenn Kapitalbesitzer plötzlich nur noch 25 Prozent Abgeltungsteuer auf ihre Zinsen und Dividenden zahlen müssen. Deutschland ist ungerechter geworden, wie sich bei jeder Steuerschätzung wieder zeigt. Die Lösung: Es würde schon reichen, einige der Steuerreformen zurückzunehmen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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7 Kommentare

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  • F
    Franz

    Tabaksteuern sind nie hoch genug: Wer sich vermeintlich elegant ruiniert, soll auch für die Folgen aufkommen, wenigstens indirekt. Die Kosten für die Krankenkassen übersteigen die Steuereinnahmen auch locker weiterhin.

    Genauso bei Kraftstoffen, wer gerne aufs Gas latscht, darf das, aber nicht ohne zu bezahlen.

    Benzin und Heizöl, Schnaps und Rauch sind genau die richtigen Steuerbringer, denn deren Konsum erzeug die höchsten volkswirtschaftlichen Kosten.

     

    Die nicht existente Steuergerechtigkeit bei den Einkommen ist ein anderes Thema und darf nicht mit den Luxussteuern verwechselt werden.

  • IN
    Ihr Namehorstw42

    Wer diese Koalition der Unfähigen gewählt hat, ist selber schuld. Das Dumme ist nur, dass ich auch unter dieser Politik zu leiden habe.

    ICH BIN NICHT SCHULD, ICH HABE DIE LINKE GEWÄHLT!

  • H
    Hasso

    Wir leben in einem "Neo-Feudalismus"-, Demokratie steht

    nur noch auf dem Papier. Hauptsächlich das Volk trägt die Lasten dieser dekadenten Politik.Um so weiter zu machen werden die Linken außen vor gelassen und nur noch Klüngel-Regierungen gebildet.Es ist doch egal wie man wählt, die Parteien sind alle gleichgeschaltet und es kommt nach jeder Wahl dasgleiche heraus. Das heißt nicht anderes, dass das Volk regelrecht verarscht wird.

  • O
    Ossi

    Der Artikel ist ziemlich einseitig geschrieben. Das eine Steuerreform notwendig ist kein Zweifel ist sie.

    Aber wieder auf den Stand von Mitte der 90er ist lächerlich. Als Single mit durchschnittlichen Einkommen habe ich schon jetzt fast 50% Steuern und Abgaben also die Einkommensteuern sind hoch genug. Bei der Abgeltungssteuer muss aber auch berücksichtigt werden, dass jetzt Spekulationsgewinne versteuert werden die vorher steuerfrei waren.

    Bei den Verbrauchsteuern kann man sicher auch noch vieles verbessern (Stichwort Mehrwertsteuersätze), aber bei der Tabaksteuer; Branntwein- und Sektsteuer

    und ähnlichen Luxussteuern kann ruhig noch zugelangt werden, denn jeder kann selbst entscheiden, ob er sie zahlt.

  • A
    Autofahrer

    Ist doch nichts neues, wenn ich mir angucke wieviel Geld ich für Benzin ausgeben muss fragt man sich wirklich immer ob es nur mich trifft. Warum erheben sich die Autofahrer nicht endlich dagegen? In Venezuela wurde dagegen auch demonstriert, und in anderen Staaten wo die Benzinpreise stiegen auch. Nur in Deutschland passiert nichts.

  • CB
    christel bachmann

    Mit Ihrem Artikel sprechen Sie mir aus der Seele. Gleichzeitig beweist er, daß es kaum noch einen Unterschied unter den Parteien gibt. Alle haben nur eines im Sinn, dem kleinen Bürger noch mehr Geld aus den Rippen zu pressen. Deutschland hat sich zu einer Steueroase für Reiche entwickelt. Solange die Bürger sich dieses Prozedere der Politik und Wirtschaft gefallen lassen, wird sich auch nichts ändern. Anscheinend haben die Bürger keinen Mumm mehr. Da lob ich mir die jungen Leute in Ägypten etc., die lassen sich nicht mehr von der Obrigkeit verarschen.

    Daran sollten sich die jungen Leute in Deutschland mal ein Bespiel nehmen!!!

  • C
    christel.bachmann

    Mit Ihrem Artikel sprechen Sie mir aus der Seele. Gleichzeitig beweist er, daß es kaum noch einen Unterschied unter den Parteien gibt. Alle haben nur eines im Sinn, dem kleinen Bürger noch mehr Geld aus den Rippen zu pressen. Deutschland hat sich zu einer Steueroase für Reiche entwickelt. Solange die Bürger sich dieses Prozedere der Politik und Wirtschaft gefallen lassen, wird sich auch nichts ändern. Anscheinend haben die Bürger keinen Mumm mehr. Da lob ich mir die jungen Leute in Ägypten etc., die lassen sich nicht mehr von der Obrigkeit verarschen.

    Daran sollten sich die jungen Leute in Deutschland mal ein Bespiel nehmen!!!