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Kommentar SteuereinigungVon wegen soziale Wohltat

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Dass von höheren Freibeträgen und parallelen Verschiebungen der Steuerkurve systembedingt immer die Reichen am meisten profitieren, überfordert auch viele Journalisten.

G lückwunsch, Bundesregierung, die Propaganda funktioniert: "Vor allem kleine und mittlere Einkommen" sollen durch die geplante Steuersenkung entlastet werden, verkündeten die Spitzen von Union und FDP nach ihrem Koalitionsgipfel. "Vor allem kleine und mittlere Einkommen" werden durch die geplante Steuersenkung entlastet, melden viele Medien brav.

Das Gegenteil ist richtig, aber mit ihrer Steuerlüge hat die Regierung ein leichtes Spiel: Die Tatsache, dass von höheren Freibeträgen und parallelen Verschiebungen der Steuerkurve systembedingt immer die Bezieher der höchsten Einkommen am meisten profitieren, überfordert nicht nur viele Bürger, sondern auch viele Journalisten.

Keine Frage: Es ist nachvollziehbar, etwas gegen die sogenannte kalte Progression zu tun, also dagegen, dass allein durch Lohnerhöhungen im Umfang der Inflationsrate der Steuersatz von Arbeitnehmern stetig ansteigt. Aber diese Korrektur darf erstens nicht als soziale Wohltat verkauft werden, denn es hat nichts mit der Entlastung von Geringverdienern zu tun, sondern nützt denen am meisten, die die meisten Steuern zahlen. Zweitens handelt es sich, solange der Staat weiterhin neue Schulden aufnimmt, um ein Geschenk auf Pump, das die Steuerzahler später zurückzahlen müssen.

taz
Malte Kreutzfeldt

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Zum Dritten sendet die deutsche Bundesregierung mit ihrer Entscheidung ein fragwürdiges Signal an die europäischen Nachbarn: Während wir von euch die schärfsten denkbaren Einsparungen verlangen, so die Botschaft von Merkel und Co, verteilen wir bei uns zu Hause Steuergeschenke an Spitzenverdiener, um Wahlversprechen einer Klientelpartei zu erfüllen. So wächst die Spaltung in Europa - und die Abneigung gegen die Deutschen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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8 Kommentare

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  • W
    Waage

    Was die Regierung Merkel hier vor hat ist vertretbar und grundsätzlich richtig!

     

    Die regelmäßige Anpassung der Grundreibeträge an die Inflationsrate sollte für jede Regierung, egal ob eher rechts- oder linksdrehend, eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn von so einer Anpassung die "besserverdienenden" Einkommensgruppen übeproportional profitieren muss eben an der Steuerkurve gebastelt werden.

     

    Wenn Mitforist W.Wacker das provokante Wort "Steuerraub" weggelassen hätte könnte ich seine Aussage direkt unterschreiben!

  • K
    Kaboom

    @Fritz

    Die Zahlen finden Sie hier in der TAZ, in der heutigen Ausgabe. Anstelle von reflexhafter Kritik hätten Sie das auch einfach lesen können.

     

    http://www.taz.de/Schwarz-gelbe-Steuerreform-/!81438/

  • J
    jaybear

    Mal schauen, ob das Zuckerli zur nächsten Wahl

    reichen wird für Merkels Truppe ...

    Wenn ja, dann haben wir vielleicht wirklich

    die Regierung, die unser Land verdient.

     

    --

    @fritz:

    Ok, ein Verweis hierhin wäre sicher angebracht gewesen:

    http://taz.de/Schwarz-gelbe-Steuerreform-/!81438/

    ... da wird vorgerechnmet.

     

    @W-Wacker:

    Den Kommentar bitte direkt an Merkel's eMail schicken!

  • AD
    advocatus diaboli

    Dass die Zunft der Journalisten zu reinen Abtippern von Regierungs-PR und Copy/Pastern von Nachrichtenagenturmeldungen verkommen sind is ja nix Neues. Es geht ja schliesslich um den Job.

    Was weggelassen wird entscheiden die hörigen Redaktionschefs. Es geht ja auch hier nur um den Job.

    Dass wir uns schnurstracks und sehenden Auges in einen perfiden Totalitarismus begeben (haben).. seis drum. Es geht schliesslich um Harmonie. Und Jobs.

  • F
    FRITZ

    Lieber Herr Kreutzfeldt,

     

    die Auseinandersetzung mit Ihrer These fiele leichter, wenn sie sich nicht nur in einer Tatsachenbehauptung (Reiche profitieren mehr) erschöpfen würde.

     

    Wieso? Absolut? Relativ? Und exakt was sind "Reiche"? Vielleicht ein Rechenbeispiel?

     

    So durchschaut mal leider schnell, dass das nur ein Relflexkommentar war (ähnlich dem vermeintlichen Pawlowschen Reflex der FDP, über den sich der taz Cartoon heute lustig macht - nur halt in Ihrem Fall der Reflex auf den Reflex!).

     

    Das können Sie sicher...naja, vielleicht besser!

     

    Gruß

    F

  • WW
    W. Wacker

    Ist das so schwer zu verstehen? Eine Anpassung des Steuertarifs an die Inflation ist kein Steuergeschenk, sondern ein Verzicht auf Steuerraub.

  • A
    A.Grech

    Na, solange die Iren trotz Rettungsmilliarden sich einen Freibetrag von 15.000,- EUR pro Nase gönnen dürfen, sehe ich überhaupt kein Problem, wenn wir hier in Deutschland den Freibetrag um ein paar mickrige Euros auf 8.000+x EUR erhöhen. Welches "Signal" damit an Europa ausgesendet wird, ist mir eigentlich völlig schnuppe.

  • D
    Demokratin

    Steuersenkungen sind ein großer Fehler, mit Überschüssen hätten lieber Schulden getilgt werden sollen, so gibt es die nächste Runde Freibier auf Pump.

     

    Besser wäre es gewesen, Steuern zu erhöhen und gleichzeitig Sozialleistungen zu kürzen, dann hätten alle einen Beitrag zum Schuldenabbau geleistet.