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Kommentar KoalitionsgipfelDanke, Schwarz-Gelb!

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die Koalition hat sich mühsam auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt – und überlässt Wesentliches der nächsten Regierung.

V erglichen mit dem Wind, den CDU, CSU und FDP vor dem Treffen ihrer Parteichefs gemacht haben, ist das Ergebnis allenfalls ein laues Lüftchen. Schwarz-Gelb legt für die zweite Regierungshalbzeit kein ambitioniertes Paket vor, wie es die Beteiligten der Öffentlichkeit glauben machen wollen.

Stattdessen haben sie sich auf einen sorgsam austarierten Minimalkompromiss geeinigt, dessen eigentliches Ziel offensichtlich ist: Alle Beteiligten können nach dem peinlichen Hickhack der vergangenen Wochen ihr Gesicht wahren.

Die FDP bekommt ihre Steuersenkung, die CSU ihre Betreuungsprämie, und bei der Pflege verständigen sich die drei Parteien auf eine kleine Beitragserhöhung, die alle Experten für längst überfällig halten.

Bild: Anja Weber
ULRICH SCHULTE

ist Leiter des Berliner Parlamentsbüros der taz.

Die Koalition hat sich mühsam auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, und für ihre Anhänger muss erschreckend sein, wie niedrig der inzwischen liegt. Was hatte die FDP ihrer Wählerklientel bei der Pflege nicht alles versprochen. Nicht weniger als den Ausstieg aus dem solidarischen Prinzip in einer weiteren Säule der Sozialversicherung. Kapitalgedeckte Zusatzversicherung hieß das Zauberwort, mit dem die Freidemokraten die Republik beglücken wollten.

Eine solche hätte der Versicherungswirtschaft neue Geldquellen eröffnet, Niedrigverdiener eine vernünftige Vorsorge unmöglich gemacht, und das riesige Finanzproblem in der Pflege nicht mal ansatzweise gelöst. Entsprechend muss man den neuen Gesundheitsminister Bahr zu seiner erschreckenden Ideenlosigkeit beglückwünschen. Seine Konzeptlosigkeit hat Schlimmeres verhindert.

Die Steuereinigung beendet einen Streit, der die Koalition seit ihrem Start begleitet. Am Ende kann die schwächelnde FDP, die sich verzweifelt daran geklammert hat, doch noch einen Erfolg verbuchen. Aber wird ihr diese Lieferung bei ihrem Herzensthema 2013 wirklich noch einmal über die 5-Prozent-Hürde helfen? Das ist offen. Denn selbst klassischen FDP-Wählern dämmert es, dass gerade nicht die Zeit ist für Milliardengeschenke.

Den Staat einer Einnahmequelle zu berauben, während er gleichzeitig Milliardenschulden zur Krisenbewältigung aufhäuft, hat nichts mit seriöser Politik zu tun. Und es sendet in der Eurokrise ein fatales außenpolitisches Signal. Während die Kanzlerin Deutschland europaweit als Ausbund der Haushaltsdisziplin darstellt, dass anderen Ländern vorexerziert, wie Sparen geht, winkt sie eine FDP-Rettungsmaßnahme durch, von der vor allem Gutverdiener profitieren werden.

Manches in dem Paket macht zudem den Eindruck, als traue die Regierung den eigenen Ideen nicht. Die zweite Stufe der Steuersenkung soll erst ab 2014 greifen, ebenso die des Betreuungsgeldes. Die Koalition überlässt Wesentliches also der Folgeregierung. Und auch dafür muss man Schwarz-Gelb danken. Denn wenn diese Regierung abgewählt wird, hat die nächste die Möglichkeit, den größten Murks wieder zu kassieren.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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5 Kommentare

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  • H
    HamburgerX

    @Arne: Die Sozialabgaben sind tatsächlich sehr hoch. Wenn man aber bedenkt, dass das Rentensystem ein 100-Mrd-Euro-Defizit jedes Jahr(!) hat und z.B. über die Ökosteuer querfinanziert wird, dann sind die Sozialabgaben spottbillig. Unser marodes Rentensystem ist einer der Gründe, warum der Staat wo wenig für andere Sozialaufgaben verwenden kann.

     

    Das Beispiel Skandinavien halte ich aber für reichlich ausgelutscht. Es wird immer dann herangezogen, wenn man nur einen Einzelaspekt hat. Ansonsten würde man nicht verschweigen, dass dort die Mehrwertsteuer bis zu 25% beträgt.

     

    @an den "falschen" HamburgerX: Glauben Sie, es bessert Ihre Überzeugungskraft, wenn Sie Namen nachahmen? Ich würde mir doch wünschen, dass Sie auf die Kraft Ihrer Argumente vertrauen, nicht auf die Kraft von Verwirrspielchen.

  • A
    Arne

    Natürlich haben immer die Besserverdienenden was von Steuerermäßigungen. Die Hauptbelastungen der Arbeitnehmer im mittleren Lohnsegment sind die Sozialabgaben, die so ungerecht verteilt sind, dass dies die oberen Einkommen kaum belastet. An eine Reform, dass sich an diesen JEDER beteilligen müsste, wird aber nach wie vor nicht diskutiert.

    Die kleineren Einkommen sind tatsächlich nicht besonders stark von den Steuern belastet. Es muss endlich Schluß sein, dass den Leuten eingeredet wird, dass die Steuern zu hoch seien. Für die Aufgaben, die der Staat bewältigen sollte, sollten sie eher erhöht werden.

    Nicht umsonst stehen die Staaten mit den höchsten Steuersätzen der Welt wie die skandinavischen Staaten immer extrem hoch im Human Development Index und haben die glücklichsten Bewohner der Welt.

  • H
    HamburgerX

    "Im Gegenteil sollte manchem endlich bewusst werden, dass Geringverdiener, besonders verheiratete mit Kindern, oft gar keine Einkommensteuer mehr zahlen müssen."

     

    Sie sind ein verdammtes Genie. Geringverdiener verdienen so mies, dass es nicht mal für die Einkommenssteuer reicht. Ein echtes Zeichen für das gute Leben von Geringverdienern. Übrigens zahlt jeder Geringverdiener Verbrauchssteuern, die ein Großteil des Steueraufkommens ausmachen.

  • V
    vic

    Die Kanzlerin und ihr gelber Fortsat machen Politik für Besserverdiener. Vom ersten bis zum letzten Tag ihrer- hoffentlich bald endender- Regierungszeit.

  • H
    HamburgerX

    Langsam bin ich wirklich genervt von der ewig gleichen Leier, dass nur Großverdiener von Steuersenkungsplan X profitieren.

     

    Denn das dürfte bei fast jeder Steuersenkung der Fall sein, weil Großverdiener auch am allermeisten Steuern zahlen. Egal, wie man den Progressionsverlauf senkt, welche Freibeträge man erhöht usw. - wer viel Steuern zahlt, wird natürlich auch immer vorne dabei sein, wenn es Senkungen geht.

     

    Im Gegenteil sollte manchem endlich bewusst werden, dass Geringverdiener, besonders verheiratete mit Kindern, oft gar keine Einkommensteuer mehr zahlen müssen. So schlecht lebt es sich in diesem Land also nicht. Der heraufbeschworene, soziale Horrorfilm in Deutschland, ist oft nichts anderes als ein Märchen.

     

    Und noch was: Völlig egal, was schwarz-gelb jetzt geschlossen hätte, gemeckert hätten also so oder so.