Kommentar Steinbach-Affäre: Keine Entwarnung
Der Verzicht Erika Steinbachs auf ihren Sitz im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht,Vertreibung,Versöhnung" ist positiv. Doch er bedeutet nicht, dass der Stiftungszweck gewährleistet ist.
A llgemeines, erleichtertes Aufatmen - die Kuh ist vom Eis. Für den Verzicht auf ihren Sitz im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht,Vertreibung,Versöhnung" hat Erika Steinbach eine beträchtliche Gegenleistung seitens der Regierungskoalition eingeheimst. Verdopplung der Ratssitze für den Bund der Vertriebenen (BdV), bessere Ausstattung der künftigen Dauerausstellung der Stiftung. Vor allem: kein Vetorecht der Bundesregierung mehr bei der Bestellung der Ratsmitglieder, eine Forderung, die Steinbach noch am Mittwoch für nicht verhandelbar erklärt hatte.
ist taz-Autor.
Statt der Bundesregierung als Bestellungsinstanz wird nach der gestrigen Übereinkunft der Bundestag die Ratsmitglieder berufen. Damit wurde das Modell übernommen, das bei der Stiftung "Aufarbeitung der SED-Diktatur" Anwendung findet. Ein geschickter Schachzug der CDU/CSU, der die Kompetenz der Legislative stärkt; der aber vor allem ausschließt, dass bei Differenzen in der Koalition über Kandidaten zum Stiftungsrat die FDP zusammen mit der Opposition auf Blockadekurs geht. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Mit ihrer Forderung, die Stiftung zu verselbstständigen, sie also aus dem Verbund mit dem Deutschen Historischen Museum herauszulösen, ist Erika Steinbach nicht durchgekommen. Ein positives Ergebnis. Aber es bedeutet keineswegs, dass der Stiftungszweck, Erinnerung und Gedenken "im Kontext des 2.Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihre Folgen wachzuhalten" gewährleistet ist.
Insbesondere die bisherige wissenschaftliche Arbeit des geschäftsführenden Direktors Professor Kittel zeichnet sich durch einseitige, die Nachkriegs-Politik des Bundes der Vertriebenen (BdV) und die Politik der deutschen Minderheiten in Ostmitteleuropa beschönigende Stellungnahmen aus. Auch findet sich im wissenschaftlichen Beirat kein Vertreter, der dem BdV bislang am Zeug geflickt hätte. Also keine Entwarnung.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?