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Kommentar StammzellenforschungGewöhnt euch an den Durchbruch

Kommentar von Matthias Urbach

Der Stammzellenforschung ist nicht nur ein wissenschaftlicher Durchbruch gelungen. Wo man ohne Klonen auskommt, entzieht sich die Wissenschaft der moralischen Kritik.

V on außen betrachtet grenzt es an ein Wunder. Jahrelang hat die Gesellschaft gestritten über Stammzellen und übers Klonen. Über die erhebenden Verheißungen des medizinischen Fortschritts und den Abgrund der verbrauchenden Embryonenforschung. Und nun löst sich der Widerspruch wie von selbst auf. So scheint es jedenfalls.

Bild: taz

Matthias Urbach (40) leitet taz.de.

Zwei Forscherteams haben unabhängig voneinander menschliche Zellen umprogrammiert, aus schlichten Hautzellen wieder Alleskönnerzellen, Stammzellen, gemacht. Und daraus Herzmuskel- und Nervenzellen. Ganz ohne Klonen, ohne kleine Zellhaufen Mensch zu benötigen.

Vom "Heiligen Gral" der Stammzellenforschung ist schon die Rede - doch das ist wohl etwas übertrieben. Denn die Forschung steht am Anfang. Die Methoden sind längst nicht so ausgereift wie etwa die der Kollegen aus der Physik.

Ein Durchbruch ist es dennoch. Nicht nur wissenschaftlich. Dieses Ergebnis könnte die Stammzellenforschung endlich vom moralischen Makel befreien, der ihr vor allem von christlicher Seite vorgehalten wird. Das Wort "Klonen" war in dieser Debatte zu einer Keule geworden, gegen die Mediziner kaum rational argumentieren konnten.

Trotzdem ist der Vorbehalt, dass die Mediziner mit dieser Forschung einen ethisch fragwürdigen Weg beschritten haben, dass sie "Gott spielen", nicht ganz ausgeräumt. Dies liegt zum einen daran, dass die Teams aus Japan und den USA anfangs auf embryonale Stammzellen zurückgreifen mussten.

Zum anderen liegt es in der Sache selbst. Es sind keine grundsätzlichen Barrieren erkennbar, die uns daran hindern könnten, früher oder später menschliche Zellen in großem Stil zu züchten und zu reprogrammieren. Es ist nur eine Frage der Zeit. Das wird ethische Konflikte aufwerfen. Doch der Vorwurf, man würde "Gott spielen", verschwindet spätestens dann, wenn sich die Gesellschaft ans Neue gewöhnt hat. Vor hundert Jahren hätte man eine Herztransplantation noch als illegitimen Eingriff in die Wege des Herrns gedeutet - heute ist sie ethisches Gebot. Das wird bei der Stammzellenforschung nicht anders sein. Denn wie sich nun zeigt, sind die moralischen Zumutungen überwindbar.

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1 Kommentar

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  • HH
    Holger H. Trometer

    Als ein Vertreter der Partei Bibeltreuer Christen Deutschland, kurz PBC, möchte ich hier erwähnen, dass Christen nie etwas gegen die Stammzellenforschung als solche hatten - wohl aber gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen, bei der neues Leben - nämlich die Embryonen - getötet werden mußten. Wie es scheint wird dies ja nicht mehr von Nöten sein. Allerdings weiss ich auf das noch vorhandene Krebsrisiko hin. Was nützt es dem Menschen, wen er bei einer Erkrankung geheilt wird und dafür an Krebs erkrankt. Also für mich erscheint dies immer noch unlogisch! - Aber ich bin auch kein Mediziner oder Humanwissenschaftler. - Als Politiker und Christ werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass menschliches Leben geschützt und erhalten bleibt.