Kommentar Sportler und Sex: Olympische Körper
Dem voyeuristischen Auge bieten die Spiele eine Wüstenei getrimmter, geruchloser, enthaarter, designter Zweckkörper. Eine einarmige Tischtennisspielerin wirkt da schon erleichternd.
Dem von keinerlei Fachwissen angekränkelten Zuschauer drängen sich beim passiven Beiwohnen der Olympischen Spiele seltsame, aber umso bohrendere Fragen auf: Wenn beispielsweise Leute - vor allem Zahnärzte, die nach Feierabend mit ihren Geländewagen statt zum Golfen auf die Koppel fahren - für die erfolgreiche Dressur von Tieren ausgezeichnet werden, warum gibt es dann eigentlich kein olympisches Gold für, sagen wir, den artistischsten Flohzirkus?
Die Antwort kennt nur der Wind oder der Himmel beziehungsweise das IOC, was in diesem Fall ja ein und dasselbe ist. Trotzdem: Irritierend am Spring-, Dressur- oder Vielseitigkeitsreiten bleiben vor allem die Reiterinnen und Reiter. Wie Fremdkörper hocken sie da auf ihren Pferden, weil es - eine Ausnahme - nicht um ihre Körper geht, sondern die der Tiere.
Mag sein, dass der Olympiasieger im Dressurreiten Kettenraucher ist oder der im Luftpistolenschießen sich gemütliche Speckröllchen um die Hüften leisten kann - ansonsten aber gilt, dass wir es in den meisten Sportarten mit Körpern zu tun haben, die auf ausdauernde Weise zugerichtet sind, ganz so, wie Turnierpferde zugeritten sein müssen.
Ringer, Schwimmer, Springer oder Sprinter haben ihre Körper durch gezieltes Training für eine einzige, ganz bestimmte Aufgabe optimiert - nämlich das Ringen, Schwimmen, Springen oder Sprinten. Es ist wie eine Evolution im Kleinen, bei der sich ein Organismus einer spezifischen Aufgabe anpasst und dadurch verändert. Oder gleich zu etwas ganz anderem, Bizarrem wird - siehe Michael Phelps, ein Muskellurch in Neopren.
Seltsamerweise bleibt bei der olympischen Körperlichkeit völlig ausgespart, was doch sonst jedwede Körperlichkeit in unserer Gesellschaft dominiert: der Sex. Sportlerkörper sind allerhand, sexy sind sie nur selten.
Sieht man von Latexfetischisten und Pädophilen einmal ab, so bietet sich dem voyeuristischen Auge in Peking eine einzige Wüstenei getrimmter, geruchloser, enthaarter, designter Zweckkörper - ganz so wie im Playboy. Selbst aufgepimpt und goldlackiert für die Werbung fotografiert, wirkt eine Britta Steffen unnahbar, wirkt ein für den Stern im Heu drapierter Fabian Hambüchen wie eine verschämte Schwulenfantasie anno 1966.
Da ist es auf fast perverse Weise erleichternd, weil natürlich, wenn einem Gewichtheber mal das Ellbogengelenk auskugelt. Oder eine einarmige Tischtennisspielerin antritt. Wobei die Spiele für solche Körper erst nach den derzeitigen steigen, bei den Paralympics.
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