Kommentar Spenden-Akquise im Auftrag von NGOs: Aufdringlich und kontraproduktiv
Aggressives Promoting im Auftrag von NGOs wie Unicef oder Amnesty erreicht niemals jene, die sich ernsthaft und langfristig engagieren wollen.
S ie stellen sich PassantInnen in den Weg, duzen Fremde, egal welchen Alters und rufen: „Du, ja, genau du! Auf dich habe ich gewartet!“ Die Rede ist hier von PromoterInnen für NGOs – nicht von sogenannten „aggressiven Bettlern“.
Über die nämlich wird sich gern aufgeregt, auch medial: Im September 2016 berichteten Radio Bremen und die Kreiszeitung, im Oktober der Weser-Kurier, im März 2017 der Weser-Report. Überall der gleiche Tenor: Aufdringliches Betteln sei eine Belästigung und nehme zu.
Dabei ist das verboten: Im Interview mit „buten und binnen“ sagte ein Polizeisprecher, dass es eine Ordnungswidrigkeit sei, Menschen auf der Straße zu bedrängen und sich ihnen beispielsweise in den Weg zu stellen. Für „aggressives Betteln“ können Platzverweise erteilt und sogar Bußgelder erhoben werden.
Und was ist mit aggressiver Promotion? Exakt das ist es nämlich, was die jungen Leute, größtenteils StudentInnen, im Auftrag von Fundraising-Agenturen wie Dialog-Direct an der Obernstraße, am Ziegenmarkt und vielen anderen Bremer Orten tun. Ihr Job ist es, UnterstützerInnen zu gewinnen für Organisationen wie Amnesty International, Unicef oder den WWF. Und das tun sie mit jenen Mitteln, für die bettelnde Menschen Platzverweise kassieren.
Wer sich ernsthaft für die Inhalte der Arbeit von NGOs interessiert, ist bei den PromoterInnen am falschen Platz, denn die wollen Unterschriften und weichen in Erwartung von Provisionen den Angesprochenen keine Sekunde von der Seite – die InteressentInnen haben keine Chance, sich unbeeinflusst und in Ruhe zu informieren. Auf diese Weise gewinnen die Organisationen zwar kurzfristig viele überrumpelte „UnterstützerInnen“, aber sicher niemanden, der sich ernsthaft, aktiv und auch langfristig engagieren will.
So verständlich es ist, dass NGOs das aufwendige Geschäft der Spenden-Akquise auslagern, so unverständlich ist es, mit welchen Methoden hier gearbeitet wird. Wenn „aggressives Betteln“ geahndet wird, sollte Gleiches auch für aggressives Promoten gelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter