piwik no script img

Kommentar Sparmaßnahmen IrlandSchulden? Ist doch egal

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Irland und Griechenland sparen. Das kostet Wachstum, so dass noch stärker gekürzt werden muss. Die Wähler könnten sich bald fragen: Was soll der Unsinn?

D ie Wut hat nun auch die Iren ergriffen. Wie in Griechenland sieht die Mehrheit nicht ein, warum sie für die Fehlspekulationen ihrer Banken und Regierung zahlen soll. Mittelfristig ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Wähler in beiden Ländern ein extremes Experiment erzwingen: Lasst die Banken und den Staat doch einfach pleitegehen!

Das Kalkül wäre schlicht: Griechenland und Irland haben vor allem Schulden im Ausland. Da wirkt es verlockend, diese fremden Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen zu lassen. Natürlich würde es auch für die Iren und die Griechen ungemütlich, wenn ihre Banken zusammenbrechen. Schließlich besitzt fast jeder ein Konto. Trotzdem könnte dieses Ende mit Schrecken irgendwann attraktiver erscheinen als ein Schrecken ohne Ende, bei dem der Staat immer neue drakonische Sparpakete auflegen muss.

Schon jetzt befinden sich Griechenland und Irland in einem typischen Teufelskreis: Die Regierung kürzt, was Wachstum kostet, so dass die Regierung noch stärker kürzen muss. Irgendwann dürften sich die Wähler fragen, was dieser Unsinn soll, und einen Kurswechsel verlangen.

taz
Ulrike Herrmann

Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz. Kürzlich erschien ihr Buch "Hurra, wir dürfen zahlen" (Westend). Es handelt vom "Selbstbetrug der Mittelschicht", die sich fälschlich zur Elite zählt.

Auch bei den EU-Regierungen hat sich längst herumgesprochen, dass beide Länder faktisch pleite sind. Bei Griechenland ist längst ausgeschlossen, dass es seine Schulden jemals vollständig zurückzahlen kann - und bei Irland müsste sich ein Wirtschaftswunder ereignen, womit ebenfalls nicht zu rechnen ist.

In beiden Ländern gehören deutsche Banken zu den wichtigsten Gläubigern. Sie würden Milliarden verlieren, wenn die Iren oder Griechen ihre Kredite nicht mehr bedienen. Manche Landesbank und die Hypo Real Estate würden diesen Schock nicht überstehen.

Dann erreicht die deutschen Wähler jene Frage, vor der Griechen und Iren schon stehen: Zahlen die privaten Gläubiger? Oder die Steuerzahler? Kanzlerin Merkel will diese Debatte erst ab 2013 führen - doch sie dürfte sich weit früher aufdrängen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • S
    Susanne

    "mittelfristig nicht ausgeschlossen, dass die Wähler ein Experiment erzwingen"

    Mittelfristig nicht ausgeschlossen, ja; das ist aber auch alles und das ist verdammt nicht viel. Ausgeschlossen ist schließlich gar nichts, was nicht naturgesetzlich ausgeschlossen ist.

    Die Erfahrung mit den deutschen Wählern zeigt hingegen, dass sie sich bisher noch alles haben gefallen lassen. Dass ausgerechnet die deutschen Wähler den Banken zeigen, wo's lang geht... tja.... ist naturgesetzlich nicht ausgeschlossen.

  • A
    Amos

    Der Euro hat Millionäre und Milliardäre noch reicher

    gemacht und das Volk soll bis zum St.Nimmerleinstag dafür bezahlen. Da fragt sich natürlich das Volk: Was soll das? Man sollte bedenken, was bei diesem ganzen "Wirtschaftszauber" herauskommt:Dumpinglöhne,Armutsrenten-, Villen und Paläste. Man sollte nicht mehr sagen,der freie Markt wird alles richten, sondern, er wird alles zugrunde richten. Die Politik weiß das auch, aber ihr Gewinn ist so hoch, das der Eigennutz die Politik bestimmt.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Auch in Deutschland sollte man sich Fragen stellen, was dieser Unsinn soll. Auch hier bezahlen die unteren Gruppen, damit die Banken gerettet werden, direkt oder durch den 'Schirm'. Die Bevölkerung hat davon nichts, außer immer mehr Arbeitsplätze von denen Niemand leben kann. Ansonsten wird nur gekürzt im Sozialen, bei Hartz IV.....

  • G
    Gert

    Das ist schon lange meine Meinung zu Staatsschulden, nicht nur bei solchen Extremfällen wie Griechenland und Irland.

    Schulden"erlass" einfach mal andersrum beschlossen, nämlich vom Schuldner aus. (Gibt es dafür ein Wort? Ratenboykott oder so?)

     

    Denn bei Banken statt zum Beispiel bei andern Staaten oder gemeinnützigen Organisationen haben die Staaten immer.