Kommentar Sozialproteste in Israel: Die Regierung will verhandeln
Die Bevölkerung will nicht länger schweigend zusehen, wie sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Sie hat erkannt, wie Politik und Markt unter Druck zu setzen sind.
D ie Sozialbewegung Israels hat die nationale Agenda auf den Kopf gestellt. Auch wenn die Zelte der Protestcamper diese Woche abgebaut werden, gibt es für die Politiker kein Zurück zur alten Tagesordnung. Spätestens bis zu den nächsten Wahlen müssen die Parteien neben Antworten auf sicherheitspolitische Fragen auch ein sozioökonomisches Programm bieten.
In den letzten fünf Wochen hat sich das zivilgesellschaftliche Bewusstsein in Israel verändert. Die Bürger haben erfahren, dass sie über Facebook Massen mobilisieren können. Es muss gar nicht darum gehen, die Regierung zu stürzen oder staatliche Untersuchungen voranzutreiben.
Es reicht schon, das ein oder andere skrupellose Unternehmen unter Druck zu setzen. Allein das Drohen mit Boykott hat Teuerungen verhindert und dazu geführt, dass Supermarktketten mit dem Studentenverband über Preise für Grundnahrungsmittel verhandeln.
ist Nahost-Korrespondentin der taz.
Die Bevölkerung will nicht länger schweigend zusehen, wie sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Worte wie "Kapitalist" bekommen eine neue Bedeutung. Da ist nicht mehr einfach nur von einem Reichen die Rede, sondern von einem, der es sich auf Kosten anderer gutgehen lässt, einem Ausbeuter vor allem der Mittelschicht, also einem, der sich schämen sollte.
Die Regierung ist unter Druck und bereit zu Reformen. Der Initiatorin der Zeltbewegung Daphni Leef geht es aber um die Abkehr von der freien Marktwirtschaft zurück zur Verstaatlichung, ein Ziel, das die großen Parteien, inklusive Arbeitspartei, längst nicht mehr verfolgen.
Eine eigene Liste hätte kaum Überlebenschancen, solange sie eine Einthemenpartei bleibt. Pragmatischer wäre es, mit der Regierungskommission zu kooperieren, die mit der Lösung der sozialen Probleme beauftragt ist.
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