Kommentar Sozialprotest in Rumänien: Gegen das Klüngelsystem der Regierung
Die Sparpläne wurden autokratisch festgesetzt. Dadurch öffnet sich die Schere zwischen den wenigen Neureichen und den vielen Unterprivilegierten.
D ie Proteste in Bukarest haben die internationale Öffentlichkeit hellhörig gemacht. Die Bilder mit brennenden Wagen, Straßensperren, zerschmetterten Schaufensterscheiben, Wasserwerfern, prügelnden Polizisten ähneln denen aus Athen, die im vergangenen Jahr über die Bildschirme flimmerten; und gewiss sind sie nicht ausschließlich das Ergebnis randalierender Fußballfans, die sich unter friedliche Demonstranten mischten und die Gelegenheit beim Schopf packten, endlich mal so richtig die Sau rauszulassen.
Ursächlich für die landesweiten Proteste in Rumänien sind die autokratisch getroffenen Sparmaßnahmen des Präsidenten Traian Basescu, die zu weiteren sozialen Einschnitten führen und die Schere zwischen einer dünnen Schicht von Neureichen und unterprivilegierten Verlierern weiter öffnen.
Die seit Donnerstag stattfindenden Protestkundgebungen in den rumänischen Großstädten sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den vom Präsidenten verordneten und von seiner gefälligen Regierung durchgeführten Sparmaßnahmen brodelt schon seit einiger Zeit.
Die Entlassung eines kompetenten Unterstaatssekretärs im Gesundheitsministerium, der den nationalen Ärztenotdienst auf Vordermann gebracht hatte, war der Stein des Anstoßes. Der Zorn der Demonstranten richtet sich aber nicht nur gegen das Projekt eines privatisierten Notdienstsystems, sondern letztendlich gegen die regierende Gruppierung Basescus, die als Klüngelsystem empfunden wird.
Dem verächtlichen Ausspruch eines Abgeordneten der Regierungspartei, die Demonstranten seien nichts als "Würmer", kann nur die Forderung nach vorgezogenen Wahlen entgegengehalten werden. Dies würde die erhitzten Gemüter wenigstens zeitweilig abkühlen.
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