Kommentar Sozialkassen: Beiträge senken? Auf keinen Fall
Den Sozialkassen geht es gut, doch jetzt die Beiträge zu senken wäre falsch. Die Kosten für das Sozialsystem werden steigen und auch die Industrie muss ihren Teil beitragen.
D ie Finanzsituation der Sozialkassen ist, vor allem dank der guten Konjunktur 2011, so gut wie lange nicht mehr. Doch jetzt die Beiträge zu senken wäre kurzsichtig. In China lahmt der Aufschwung, und die deutsche Industrie beginnt bereits, die ersten Stellen abzubauen. Statt einer Drei vor dem Komma, wie 2011, wird Deutschland für 2012 nur noch ein Wachstum zwischen 0,3 und 0,6 Prozent vorausgesagt.
Doch wenn die Euroraumkrise hier ankommt, wird es anders sein als bei der letzten großen Krise: Durch das Sparpaket der Bundesregierung sind die Reserven der Bundesagentur für Arbeit aufgezehrt. Eine erneute Finanzspritze für das Kurzarbeiterwunder Teil II würde große Löcher reißen.
Noch wichtiger ist die Frage, wie man die Kassen sozialverträglich (!) zukunftsfest bekommt. Dafür hat die Bundesregierung bisher nichts getan. Angehörige der wachsenden Zahl von Demenzkranken müssen weiterhin auf Leistungen aus der Pflegekasse warten. Ein Konzept, um die Rentenkasse der Gesellschaft der Langlebigen anzupassen, ohne die Renten drastisch zu kürzen, ist auch nicht in Sicht. Stattdessen verteilt Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der geplanten Zuschussrente ein paar Bonbons für einige wenige Geringverdiener und hübscht die Erwerbsminderungsrente ein bisschen auf. Vielen helfen wird das nicht.
ist Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Inland der taz.
Dabei ist klar: Die Gesellschaft braucht in den nächsten Jahren mehr Geld, um die wachsende Anzahl von Alten und Kranken abzusichern. Wie CDU und FDP das finanzieren möchten, sieht man: Steigende Krankenkassenausgaben werden künftig allein von Arbeitnehmern getragen. Und Beschäftigte sollen privat für die Pflege vorsorgen. Auch eine Demografieabgabe – wohlgemerkt nur für die Arbeitnehmer – ist im Gespräch.
Dabei kann die Antwort nur lauten: Hohe Kapitalbestände müssen zur Finanzierung des Sozialsystems herangezogen werden. Und die Arbeitgeber müssen endlich ihren Beitrag leisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich