Kommentar Sorgerechtsentzug: Trügerische Wahrheit der Statistik
Beim Kinderschutz besteht kein Mangel an ideologischen Gräben, höchstens an Geld.
W enn es einen Bereich gibt, den man zurecht Minenfeld nennen kann, dann den des Kinderschutzes, beziehungsweise der Familienfürsorge. Es besteht kein Mangel an ideologischen Gräben, höchstens an Geld. Und sucht man nach dem umkämpftesten Gut, landet man rasch beim Sorgerecht. Nach jedem Todesfall eines vernachlässigten oder misshandelten Kindes taucht unmittelbar die Frage auf, wie die Jugendämter das Opfer bei Eltern belassen konnten, die sich um vieles kümmerten, aber nicht um sein Wohl.
Und kurz danach melden sich Stimmen, die darauf verweisen, wie wichtig es sei, den Kindern nach Möglichkeit engen Kontakt zu den Eltern zu belassen. Eine allgemeine Antwort zu dieser Frage findet sich nie, kann sich nie finden. Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf die neuen Zahlen zu Sorgerechtsentzügen verhalten ausfallen. Soll man sich in Hamburg über den Anstieg freuen? In Bremen über das Zurückgehen Sorgen machen? Oder doch umgekehrt?
Es spricht für die Ressorts in den beiden Stadtstaaten, dass sie sich nur vorsichtig äußern. Und dass sie völlig zurecht auf die begrenzte Aussagekraft der Zahlen verweisen. Auch hier gilt es, wie bei jedem Besuch der sozialen Dienste auch, genau hinzusehen: Wie agieren die Gerichte, wie die Jugendämter, wie die Eltern. Denn Zahlen wie diese sind nur ein Faktor in einer komplizierten Rechnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“