Kommentar Sodann: Aus Trotz geboren
Die Linkspartei hat den Schauspieler Peter Sodann für die Bundespräsidentenwahl aufgestellt. Eigentlich nur, um Schwan und Co. eins auszuwischen.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Die Idee, dass die Linkspartei einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufstellen sollte, hatte von Beginn an etwas Beleidigtes an sich. Denn sie nahm erst so richtig Form an, nachdem die SPD-Kandidatin Gesine Schwan Oskar Lafontaine ziemlich rüde angegangen war. Man mag verstehen, dass sich die Begeisterung über die undiplomatische Schwan bei der Linkspartei in Grenzen hielt - zumal Horst Köhler die Linkspartei trotz kratertiefen Meinungsdifferenzen stets korrekt behandelt hat. Doch dass gegen beide unbedingt ein eigener Kandidat her musste, erscheint wenig plausibel. Diese Kandidatur wurde nicht aus Selbstbewusstsein geboren, sondern aus Trotz. Das Ergebnis ist dementsprechend ernüchternd.
Peter Sodann ist ein freundlicher älterer Herr. Man mag ihn als Schauspieler und Theatermann schätzen - oder auch nicht. Warum aber soll dieser Mann Bundespräsident werden? Welche herausragende Leistung befähigt ihn dazu? Wir wissen es nicht. Ablesen kann man an dieser Kandidatur nur, dass die Spitze der Linkspartei sich ohne Not in eine Verlegenheit gebracht hat.
Den Notausgang hat sie dabei selbst eigenhändig verriegelt. Denn wer einen Gegenkandidaten ankündigt, muss eben auch irgendwann einen präsentieren. So träumte man von einem respektablen Kandidaten von unbestreitbarem intellektuellem Format - von einem Dissidenten, der mit dem westdeutschen Mainstream über Kreuz liegt. Sodann hingegen ist ein Mann mit tadelloser Ostbiografie, der es nach 1989 geschafft hat. Dagegen spricht nichts. Doch für die Linkspartei, die sich so gerne gesamtdeutsch gibt, ist Sodann Zeichen einer Regression. Am Ende nimmt man, was immer geht: die Ostbiografie. Das wirkt mutlos. Dagegen wäre jemand, der eine soziale Bewegung repräsentiert, noch die elegantere Lösung gewesen.
Diese Nominierung verdeutlicht, was der Linkspartei fehlt: jede intellektuelle Ausstrahlung, die über Ostdeutschland hinausreicht. Zwar hat sie im Westen ein paar beeindruckende Wahlerfolge verbucht. Doch ihre Anziehungskraft für freischwebende Intellektuelle tendiert gegen null. Meint sie ihre gesamtdeutsche Rhetorik ernst, wird sie das ändern müssen. STEFAN REINECKE
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