piwik no script img

Kommentar Siedlerpolitik in IsraelJustiz mutiger als Politiker

Kommentar von Susanne Knaul

Die Richter des israelischen Obersten Gerichtshofs gehen entschlossener gegen die Siedler vor als Ministerpräsident Netanjahu.

D ie Obersten Richter in Jerusalem zeigten mit ihrem Urteil zur Räumung der Siedlung Migron mehr Zivilcourage als die Regierung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinen rechtsnationalen Koalitionspartnern wäre es lieber gewesen, einer so unpopulären Maßnahme aus dem Weg zu gehen. Die Richter ließen ihn kalt abblitzen. Keine Kapitulation vor den Siedlern, lautet ihre Botschaft.

Selbst Ariel Scharon, einst gefürchteter Feldherr und später Regierungschef, tat sich unglaublich schwer, ein paar tausend Siedler aus dem Gazastreifen herauszuholen. Dass es heute nicht leichter ist, Siedlungen aufzulösen, geht auch auf sein Versagen zurück. Das Ende des Siedlungsblocks Gusch Katif im Gazastreifen war stümperhaft geplant.

Noch Jahre nach der Räumung des Gazastreifen warten hunderte Familien in Ausweichquartieren auf dauerhaften Wohnraum. Für viele Bauern ist es inzwischen zu spät, noch mal von vorn anzufangen. Israels Abzug aus den Gazastreifen wurde für sie zur persönlichen Katastrophe. Ihr Schicksal lässt den Unmut der Siedler im Westjordanland anschwellen, sobald von Räumungen die Rede ist.

privat
SUSANNE KNAUL

ist taz-Korrespondentin in Jerusalem.

Nicht noch einmal wollen sie es Regierung und Sicherheitskräften so leicht machen wie im August 2005. Auch wenn sich nach einer Untersuchung der Initiative „Schalom Achschav“ (Frieden Jetzt) nur ein Bruchteil der Siedler mit Gewalt zur Wehr setzen würde und eine noch kleinere Gruppe schon jetzt Palästinenser und Soldaten angreift, sobald die Regierung gegen Siedlungen entscheidet: Die Extremisten genießen ideologisch die Rückendeckung von Zig-, wenn nicht gar Hunderttausenden.

Die viel zu sanfte Hand, mit der die Sicherheitskräfte versuchen, Ruhe im besetzten Land zu bewahren, lässt die radikalen Siedler immer frecher werden und Evakuierungen zu Machtkämpfen mit ungewissem Ausgang. Wenn Netanjahu die Räumung von Migron nicht gelingt, dann schafft er es in Ostjerusalem auch nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • M
    Maayan

    900000 ist in etwa die Zahl der JUEDISCHEN Flüchtlinge, die aus arabischen laendern vertrieben worden sind und natürlich dürften sie ihren Besitz nicht mitnehmen. Wer sich daran bereicherte, dürfte wohl klar sein. Die Zahl der arabischen Flüchtlinge beträgt ungefähr die hälfte! Übrigens haben weit über die hälfte dieser "Fluechtlinge" niemals einen israelischen Soldaten zu Gesicht bekommen... Im Gegenteil die arabischen fuehrer forderten sie auf, ihre Häuser zu verlassen mit dem Versprechen, dass man sich schon um die Juden kuemmern werde.

    Es ist wohl kaum Israels Schuld, dass UNO und Konsorten dieses "Flüchtlingsproblem" künstlich am leben halten. Israel hat seine Flüchtlinge integriert. Die Araber lassen ihre "Brueder und Schwestern" immer noch in Flüchtlingslagern versauern.

  • E
    end.the.occupation

    >> Das Flüchtlingsproblem wird bewusst am Leben gehalten. Dahinter stecken Interessen, zu einträglich ist das Geschäft mit dem Elend, in Gaza sind in den letzten Jahren 600 neue Millionäre entstanden, während gleichzeitig das Durchschnittseinkommen drastisch gesunken ist.

     

    600 Millionäre in Gaza? Könnte es irgendwie sein, dass das etwas mit der kriminellen israelischen Belagerung des israelischen Grossgefängnisses am Mittelmeer - Gaza - zu tun hat? Im übrigen mehrheitlich Flüchtlinge, von Israel ins Elend gestürzt, um sich an ihrem Land und Besitz zu bereichern.

     

    Ist es nicht so, dass die Vertreibung von 900.000 Palästinensern - ihre Verwandlung in Flüchtlinge durch Israel, einer der grössten Raubzüge des 20. Jahrhunderts - dass dies der Ursprung für tausende von Millionären in Israel ist und war?

     

    In wessen Interesse waren und sind die Flüchtlinge nochmal?

  • E
    Eva

    Die Wahrheit über das eigentliche Flüchtlingsproblem. Siedler sind nicht das Problem, auch wenn ich einige Siedler aufgrund ihrer Einstellung nicht akzeptiere, so sind sie doch nicht das Grundproblem des Konfliktes.

     

    Das Flüchtlingsproblem wird bewusst am Leben gehalten. Dahinter stecken Interessen, zu einträglich ist das Geschäft mit dem Elend, in Gaza sind in den letzten Jahren 600 neue Millionäre entstanden, während gleichzeitig das Durchschnittseinkommen drastisch gesunken ist.

     

    Zu nützlich und auch einträglich sind die Flüchtlinge für arabische Eliten.

     

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_profilepage&v=g_3A6_qSBBQ

  • E
    end.the.occupation

    > Keine Kapitulation vor den Siedlern, lautet ihre Botschaft.

     

    Solche Gewissheiten nach über 500.000 'Siedlern' als Nachrichten zu verbreiten, zu solcher Dreistigkeit ist allein Susanne Knaul in der Lage.

     

    Zu den "Siedlern" ist zu lesen: 'Die Herren des Landes' von Akiva Eldar und Idith Zertal.

     

    Wer sich für die Scharade israelischen Rechts interessiert, dem sei empfohlen:

    Jonathan Cook: The myth of Israel's liberal Supreme Court exposed ...

     

    Und hier 'amnesty international' zu Hana Shalabis Willkürhaft - seit 40 Tagen im Hungersteik:

    http://www.amnesty.org/en/news/israel-must-release-or-try-palestinian-detainee-hunger-strike-2012-03-23

  • S
    Stefan

    So kann man, wenn man es sich ganz einfach macht, das Problem auf den Punkt bringen. Die Siedler sind schuld. Und die Frage ist nur, wie man alle räumen könne ... besonders aus dem Oststeil Jerusalems, der ja vor über 60 Jahren judenrein gemacht wurde. Was war denn vor `67 mit dem Oststeil Jerusalems? Zugang (fast) aller Religionen zu ihren Heiligtümern.

    Der anhaltende Vernichtungswille der Pallis ...? Die internationale antisemitische Hetze ...? ...? Kein Problem. Die frechen Siedler sind's. Nicht die Rüpel von der Hamas, die Lausbuben in Teheran, die Schlingel von der internationalen Terroristen-Liga und deren tolldreisten Unterstützer. Weiter so mit den kecken Artikel.

  • SW
    S. Weinert

    Inhaltlich stimme ich dem Kommentar weitgehend zu. Zwei Dinge jedoch stören mich:

     

    1. Die Justiz muss sich - wie in den meisten anderen Ländern auch - keiner Wahl stellen, kann daher vom Volk nicht durch Abwahl "abgestraft" werden. Von daher kann man wohl kaum behaupten, sie sei "mutiger", als die Politik.

     

    2. Den Begriff "Zivilcourage" im Zusammenhang mit einer staatlichen Institution zu nennen, führt den Begriff ad absurdum. Kein Arm der verfassungsrechtlichen Gewalt, dem bei seinem Handeln besonderer (verfassungsrechtlicher) Schutz garantiert wird, beweist durch sein Handeln besondere "Courage". Entweder er macht einfach nur seine Arbeit - Gesetze auslegen und im Sinne der geltenden Rechtsordnung zu einem rechtlich einwandfreien Urteil zu kommen. Oder aber er der Begriff der Courage ist hier so gemeint, dass das Gericht seinen Spielraum überzogen und ein politisch motivertes Urteil getroffen hat - dann aber haben sie das Prinzip der Gewaltenteilung und somit die Verfassung gebrochen. Auch das kann man nur schwerlich als couragiert bezeichnen.

  • WW
    we we

    "Ruhe im besetzten Land zu bewahren"

    ZU BEWAHREN

    ZU BEWAHREN

    ZU BEWAHREN

     

     

    Man kann wirklich nicht sagen, man hätte es nicht gehört.