Kommentar Seehofers Besuch in Ungarn: Sie mögen sich

Nach Putin hofiert Seehofer nun den nächsten Staatschef. Diesmal holt er sich Tipps in Budapest. Er und Orbán haben viel gemein.

Gesicht von Victor Orban, er schaut Horst Seehofer an

Zwei alte Freunde: Ministerpräsident Viktor Orbán und CSU-Chef Horst Seehofer Foto: imago/Sven Simon

Provinzpolitiker machen gerne Außenpolitik. Einerseits, um ihre eigene Wichtigkeit zu demonstrieren, andererseits, um die Zentralregierung zu provozieren. Man erinnere sich an Jörg Haiders – seines Zeichens damals Landeshauptmann von Kärnten – überraschende Stippvisiten in Bagdad bei Saddam Hussein und bei Muamar Gaddafi im libyschen Wüstenzelt. Für Bayern setzte schon Franz Josef Strauß Maßstäbe, als er sich 1977 in Augusto Pinochets blutig regiertem Chile hofieren ließ.

Verglichen mit dieser Verharmlosung eines Massenmörderregimes ist Horst Seehofers Schulterschluss mit Viktor Orbán geradezu folkloristisch. Die Anbiederung an Wladimir Putin, just als die russische Luftwaffe Aleppo dem Erdboden gleichmachte und eine neue Flüchtlingswelle Richtung Europa entfesselte, war da schon stärkerer Tobak.

Orbán indes bombardiert nur sein Volk und die Europäische Union mit seiner arroganten „Ich-hab‘s-ja-immer-schon-gewusst“-Attitüde. Er ließ schon Zäune bauen, als man in Wien, Berlin und München Flüchtlinge noch mit offenen Armen empfing. Jetzt sieht er sich bestätigt. Und Horst Seehofer ist sicherlich der Erste, der ihm Applaus spendet. Die beiden sind alte Freunde. Als andere mit Sorgenfalten die schwindende Medienfreiheit in Ungarn und den ungebremsten Machtrausch des Premiers beobachteten, empfing Seehofer Orbán als Ehrengast einer CSU-Klausur im fränkischen Kloster Banz.

Seehofer und Orbán eint die Furcht, Wähler an die extreme Rechte zu verlieren. Was dem Ungarn die faschistische Jobbik, das ist Seehofer die fremdenfeindliche AfD, die auf der Flüchtlingswelle zu neuen Umfragehöhen reitet und die absolute Mehrheit der CSU gefährdet. Die engen Bande gehen aber über rein interessengesteuerte Motive hinaus. Denn Orbán hat Struktur und Ideologie der CSU studiert, um seine ursprünglich liberale Fidesz-Partei so wertkonservativ umzugestalten, dass sie sich auch an der Macht einzementieren kann. So ließ er das Bekenntnis zu Gott, zur traditionellen Familie und zur Nation in die Verfassung schreiben.

Mehrmals hat er Bemerkungen gemacht, dass er Partei und Nation als deckungsgleich betrachtet. Orbán konnte dank seiner Anti-Flüchtlingspolitik seine bereits schwindende Macht wieder festigen. Seehofer fürchtet dank der Politik seiner Kanzlerin um sein Amt. Vielleicht ist es diesmal der CSU-Chef, der sich Tipps in Budapest holt.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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