piwik no script img

Kommentar Sebastian EdathyNoch mehr Fragen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Den reuigen Sünder will Edathy nicht spielen. Teile seiner Geschichte klingen plausibel. Als Verteidiger in eigener Sache macht er keine gute Figur.

Sebastian Edathy nach seiner Aussage im Untersuchungsauschuss des Bundestages. Bild: dpa

I n Gerichtsverfahren kann, wer angeklagt ist, nicht auch als Zeuge auftreten. Die Verwirrung, die der öffentliche Auftritt von Sebastian Edathy in der Kinderporno-Affäre hinterlässt, basiert auch auf dieser Rollenkonfusion.

Der SPD-Mann trat doppelt auf, als Beschuldigter und als Zeuge. Als Verteidiger in eigener Sache versuchte er, die Indizien abzumildern und sich als Opfer von Vorverurteilung zu inszenieren. Das ist misslungen. Denn die Öffentlichkeit verlangt Demut des reuigen Sünders. Eine Rolle, die Edathy nicht spielen kann oder will.

Zudem ist er Zeuge in der politisch zentralen Frage, wer in der SPD was und wann über die BKA-Informationen wusste. Dass der SPD-Mann Michael Hartmann ihn damals, instruiert von der BKA-Spitze, warnte, klingt durchaus plausibel. Es gibt jedenfalls keinen einleuchtenden Grund, warum Edathy diese Geschichte einfach erfinden sollte. Neue Freunde bringt sie ihm nicht.

Wenn Edathys Version stimmt, fragt sich, ob der jetzige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die ganze Wahrheit gesagt hat. Oppermann hat Hartmann im Spätherbst beauftragt, sich um Edathy zu kümmern. Beide wussten damals vom inkriminierten Material des BKA. Die Vorstellung, dass sie über diesen Zusammenhang keine Silbe verloren haben sollen, hat etwas Treuherziges.

Ein seltsamer Rücktritt

In Edathys Version gibt es viel Hörensagen. Was Hartmann Edathy über das BKA erzählte, muss nicht die Wahrheit gewesen sein. Was Vermutung, was Fakt ist, verschwimmt. Auch daher rührt die Verwirrung.

Und nun? Die SPD-Fraktionsspitze hat sich bisher sehr geschickt aus der Affäre gezogen. Dass als Einziger ein CSU-Minister zurücktreten musste, wirkt im Nachhinein seltsam. Ein Beweis, dass Oppermann & Co mehr wussten, gibt es nicht. Aber die Fragen häufen sich. Hatte die SPD nicht rückhaltlose Aufklärung versprochen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Kleine Korrektur: Selbstverständlich sind nicht alle Pädophile auch Täter! Deshalb muss meine Anmerkung lauten: "Ich habe nur den männlichen Anteil herausgenommen, weil sich die genannte statistische Bezugsgröße auf Männer bezieht. Das heißt, zu diesen Zahlen sind noch die weiblichen pädophilen Parteimitlieder hinzuzuzählen."

  • Derzeit wird nach internationalen Studien davon ausgegangen, dass bei etwa 1 % aller erwachsenen Männer eine primärpädophile Ausrichtung vorliegt.

     

    Die SPD hat 467.047 Mitglieder, rund 67 Prozent davon sind männlich. Rein statistisch sind in der SPD demnach 3.129 Pädophile zu finden.

     

    Die CDU hat rund 480.000 Mitglieder, rund 75 Prozent davon (360.000) sind männlich. Rein statistisch sind in der CDU 3.600 Pädophile zu finden.

     

    Bei den GRÜNEN gibt es rund 60.000 Parteimitglieder, rund 60 Prozent davon sind männlich. In der Öko-Partei ist demzufolge rein statistisch von 360 Pädophilen auszugehen.

     

    DIE LINKE hat 63.757 Parteimitglieder, davon sind rund 63 Prozent männlich. Hier finden sich also rein statistisch rund 402 Pädophile.

     

    Selbst bei der AfD finden sich – rein statistisch – Pädophile: Bei rund 20.000 Parteimitgliedern und einem Männeranteil von rund 85 Prozent sogar relativ viele, nämlich 170.

     

    Anmerkung: Ich habe nur den männlichen Täteranteil herausgenommen, weil sich die genannte statistische Bezugsgröße auf männliche Täter bezieht. Das heißt, zu diesen Zahlen sind noch die weiblichen Täterinnen hinzuzuzählen.

     

    Zeigen möchte ich mit diesem kleinen Zahlenspiel, dass es eben keine Einzelfälle sind. Was lediglich als „Einzelfall“ vorkommt, ist die Aufdeckung.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Lilly Maier:

      Ihr Beitrag ist wunderbar. Wird vielleicht die Moralapostel nicht alle beruhigen. Jetzt könnten Sie noch ausrechnen, wer von den 631 Abgeordneten welcher Partei zugehörig ist und wieviele Pädophile wir am Rednerpult, also an vorderer Front (statistisch) erleben. Der Fernsehzuschauer kann vielleicht auch noch die Gestik studieren. Aber danke für den Überblick.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        "Reuiger Sünder"?

        Die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist keine Frage der Moral. Es geht nicht um das Ignorieren von Sitten, sondern um das Recht von Heranwachsenden vor Missbrauch durch kranke oder psychosozial verwahrloste Menschen geschützt zu werden.

         

        Abgesehen davon, wer hier aus welchen Gründen auch immer lügt: wieso wurde Sebastian Edathy von seinen ParteikollegInnen überhaupt in so wichtige Ämter gehievt wie er sie inne hatte? Als Vorsitzender des Innenausschusses hat er sich unter Anderem mit Fragen des Sexualstrafrechts beschäftigt. Und Kindesmissbrauch und Kinder"pornografie" spielt bei den Rechtsextremen eine große Rolle. Sebastian Edathy leitete den entsprechenden Untersuchungsausschuss.

         

        Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich denke, daß es in einem Rechtsstaat unerheblich ist, ob 'die Öffentlichkeit ... Demut des reuigen Sünders verlangt. Staatsanwälte und Richter können Herrn Edathy doch ohne Schwierigkeiten anklagen und verurteilen, wenn sie Beweise haben, daß er gegen Gesetze verstoßen hat

    Da es hier in vielen Einzelheiten um Aussage gegen Aussage geht, würde ich mir wünschen, daß erstmal Oppermann, Hartmann, Ziercke und vielleicht auch Gabriel ihre Aussagen eidesstattlich machen. Ich glaube, daß hier eine recht krumme Geschichte gelaufen ist, die hinter dem Deckmäntelchen des Bezuges von Kinderpornovideos versteckt werden soll. Gerade die vollkommen gegensätzlichen Aussagen vor dem Untersuchungsausschuß von heute Abend machen die Sache noch sehr spannend.