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Kommentar Schweden steigt wieder einEiner geht noch

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Schweden war ganz vorne, was den Atomausstieg anging. Jetzt nimmt es den französischen Weg. Dafür muss sich die Antiatombewegung auch an die eigene Nase fassen.

Bild: privat

Reinhard Wolff ist Korerspondent der taz in Skandinavien. Er lebt in Stockholm.

Die Entscheidung der schwedischen Regierung, das gesetzliche Verbot für den Bau neuer Atomreaktoren, das es bislang gab, aufheben zu wollen, läutet noch keine Renaissance der Atomkraft ein. Aber sie zeigt, wie gut die rot-grüne Koalition in Deutschland beraten war, als sie den hiesigen Atomkraftausstieg mit genauen Laufzeitvorgaben festzurrte. Schweden hatte sich zwar das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2010 den letzten Reaktor stillzulegen. Doch dafür gab es nie einen gesetzlich verbindlichen Zeitplan. Dass die beiden Barsebäck-Reaktoren abgestellt wurden, dafür brauchte es internationalen Druck. Dänemark hatte nämlich keine Ruhe gegeben, bis dieses AKW, das Schweden dem Land auf Sichtweite vor seine Hauptstadt gesetzt hatte, wieder stillgelegt worden war.

Schweden war einmal ganz vorne, als es um den Atomausstieg ging. Jetzt findet es sich womöglich in der Gesellschaft von Frankreich und Großbritannien wieder. Dafür muss sich Schwedens Antiatombewegung auch an die eigene Nase fassen. Sie glaubte, mit dem Referendum von 1980, mit dem der Atomausstieg beschlossen wurde, sei alles gelaufen. Doch die Sozialdemokraten waren in der Atomfrage schon immer gespalten - und sind das auch heute noch. Die schwammige Vorgabe, man werde Atomkraft dann ersetzen, wenn entsprechender Ersatz vorhanden sei, bedeutete in der Praxis, den Ausstieg auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.

Eigentlich muss man der Regierung Reinfeldt nun dankbar sein, dass sie für Klarheit sorgt. Die Ausrede, "wir haben doch einen Ausstiegsbeschluss", ist weg. Vor den Wahlen im kommenden Jahr müssen die Parteien jetzt Farbe bekennen. Die Sozialdemokraten müssen sich festlegen, wie sie es in Zukunft mit der Atomkraft halten wollen, ebenso die Grünen. Bei denen steht ein "schneller" Ausstieg zwar irgendwo im Programm, ist im Laufe der Jahre auf der Prioritätenliste aber immer weiter nach unten gerutscht. Nur, wenn es wieder mal eine Panne in Forsmark oder Ringhals gab, erinnerte man sich daran.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • T
    thiotrix

    Schweden hat energiepolitisch richtig und verantwortungsvoll gehandelt!

     

    Schweden hatte zwar 1980 den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, aber nennenswerte Taten folgten nicht. Von 12 Atomkraftwerken wurden gerade mal zwei stillgelegt, Barsebäck 1 im Jahre 1999, Block 2 in 2005. Die anderen AKW produzieren trotz Ausstiegsbeschluß munter weiter – und gegenwärtig kommen mehr als 50 % des Schweden-Stroms aus AKW, 40 % aus Wasserkraft, 9 % aus Kraft-Wärme Kopplung und aus Windkraftanlagen - gerade einmal 0,5 %! Der Ausbau der Wasserkraft ist kaum möglich, da durch ein Gesetz von 1998 neue Wasserkraftanlagen aus Umweltschutzgründen nicht mehr gebaut werden dürfen. Ein Festhalten am Atomausstieg wäre daher für Schweden wirtschaftlicher und energiepolitischer Selbstmord gewesen. Seit einigen Jahren wird sogar diskutiert, den stillgelegten Block 2 in Barsebäck wieder in Betrieb zu nehmen. Daher ist die Entscheidung zum Bau neuer AKW nur folgerichtig und letztlich nur ein Abschied von einem teuren und unrealisierbaren Traum. Das nenne ich Realpolitik! Hoffentlich gibt es dieses Umdenken auch bald in Deutschland- also deutlich längere Laufzeiten für AKW sowie Planung und Bau neuer Reaktoren.

    Wo sind in Deutschland die PolitikerInnen mit Rückrat, die es wagen, einen solchen Kurs offensiv zu vertreten?

    Leider haben in Deutschland- in viel größerem Maße als in allen anderen Ländern – verbohrte und fanatische Anti-Kernkraft-Ideologen ein ganzes Volk hysterisch gemacht. Aberwitzige Schreckensszenarien wurden entworfen, die Angst vor dem „Atomstaat“ geschürt, alle Fakten zur Energieversorgung ignoriert und ein grünes Wolkenkuckucksheim mit Wind- und Sonnenstrom propagiert. Haben diese Leute sich eigentlich mal überlegt, warum die Menschen das Dampfschiff erfunden haben- und warum in vielen historischen Windmühlen, die wir heute bewundern können, entweder Dampfmaschinen oder später Dieselmotoren eingebaut worden waren (meist in unscheinbaren Anbauten versteckt)? Der Energiebedarf eines modernen Industriestaates ist nun einmal so groß, daß er das Vorstellungsvermögen der vielen grünen und roten Bedenkenträger übersteigt.

    Hoffentlich erfolgt auch in unserem Land baldmöglichst ein Umdenken wie in Schweden, so daß der gefährliche und unverantwortliche Atomausstieg rechtzeitig gekippt werden kann und am besten auch einige der bereits stillgelegten Kernkraftwerke wieder reaktiviert werden können.

  • SG
    Stefan Giebel

    Wer wirklich den Ausstieg aus der Atomkraft will, sollte nicht bei Demonstrationen gegen Atomkraft stehen bleiben, sondern die Alterantiven zur Atomkraft entwickeln und unterstützen. So lange die Alternativen nicht da sind, wird in schwierigen Zeiten immer wieder auf das scheinbar Bewährte zurückgegriffen. Der Unfall von Tschernobyl scheint dann wieder mal längst vergessen.

  • H
    Holländer

    Die Atomkraft kann vielleicht einige Länder helfen ihr CO2 Zielen zu erreichen, aber ist kaum eine Lösung für die Klimafrage. Mit dem verfügbaren Uran kann eine Menge Energie erzeugt werden die etwa 3 Mal dem heutigen Weltenergieverbrauch pro Jahr entspricht. Also wir könnten mit Atomstrom höchstens die Klimaprobleme um 3 Jahre verzögern. Da das Klimaproblem ein globales Problem ist, hilft es nicht wenn einige wenige Länder so ihre CO2 Bilanzen beschönigen.

  • N
    Nicklas

    Naja,

     

    der Import von russischem Atomstrom ist ja auch ganz schön teuer ...