Kommentar Schulreform-Streit: Schwarz-Grün muss nachsitzen
Das Beispiel des Hamburger Schulreform-Streits zeigt auch, dass die CDU mit schwarz-grünen Bündnissen womöglich mehr Probleme bekommt als ihr Koalitionspartner.
Wieder einmal haben Reformer die Macht von Traditionen unterschätzt. Wenn es überhaupt jemanden gibt, der längeres gemeinsames Lernen an deutschen Schulen durchzusetzen vermag, dann ein Regierungschef der CDU - jener Partei, die im ideologisierten Gesamtschulstreit der Siebzigerjahre diese Idee einst vehement bekämpfte. Doch dass Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust diesen Plan nun in einem Referendum zur Abstimmung stellen muss, zeugt von einer Beharrlichkeit in der Bildungspolitik, die schon die alliierten Besatzungsmächte nach dem Krieg vergeblich zu beenden suchten.
Es wäre ein Treppenwitz, wenn ausgerechnet Hamburgs SPD gegen das eigentlich auch von ihr favorisierte Modell zu Felde zöge. Von allen Bekenntnissen, die sie im letzten Jahrzehnt zu Chancengerechtigkeit und vorsorgendem Sozialstaat ablegte, würde sie sich damit verabschieden. Zum langsamen Abrücken von den eigenen Arbeitsmarktreformen würde das in gewisser Weise sogar passen. Wer einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung konsequent von Bildungschancen ausschließt, muss in der Tat Mehrausgaben für Hartz IV perspektivisch ins Auge fassen.
Das Beispiel Hamburg zeigt aber auch, dass entgegen ersten Vermutungen die CDU mit schwarz-grünen Bündnissen womöglich mehr Probleme bekommt als ihr Koalitionspartner. Es ist vor allem ihre Klientel, die in Hamburg gegen die Abschaffung der ersten zwei Gymnasialjahre zu Felde zieht. Die Schleifarbeiten an der Bastion des Bildungsbürgertums mögen zwar auch manchem Grünen-Anhänger eine Gänsehaut bereiten. Doch wagt dort kaum jemand, sich zu derlei Egoismus zu bekennen. Dass vor allem die Grünen vor Koalitionsdebatten zitterten, während sich Christdemokraten über neue Machtoptionen freuten - auch das zählt zu den verkehrten Fronten im Hamburger Bildungsstreit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!