Kommentar Schuldenland Portugal: Portugal wird es schaffen
Das hochverschuldete Portugal gerät zwar an seine Grenzen, doch anders als in Griechenland arbeiten Regierung und Opposition bei der Sanierung des Landes eng zusammen.
W as für ein Unterschied: In Lissabon gingen am Wochenende bis zu 300.000 Menschen auf die Straße, in Athen waren es nur 10.000. Dabei sind Portugiesen und Griechen in einer ähnlichen Lage. Beide Länder müssen harte Sparauflagen erfüllen, um Rettungsgelder von der EU und vom Internationalen Währungsfonds zu erhalten.
Aus der Ferne könnte es so wirken, als wäre die portugiesische Regierung ernsthaft bedroht. Doch das wäre ein Missverständnis. Die Massendemonstration in Portugal zeigt stattdessen, wie gut Staat und Gesellschaft funktionieren. Es herrscht Disziplin, selbst beim Protest. Es gibt ein Kollektiv, das gemeinsam handeln kann.
Wie anders ist das in Griechenland. Dort ist es bisher nie zu echten Großdemonstrationen gekommen, weil das Lager der Arbeitnehmer zutiefst gespalten ist. Privatangestellte beneiden die Staatsbediensteten, die so viel besser verdienen. Und jeder Sektor sieht vor allem die eigenen Interessen. So streikten die Fährbediensteten - und legten den Tourismus lahm -, ohne dies mit anderen Gewerkschaften abzusprechen. In Griechenland kämpft jeder gegen jeden.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Die Portugiesen hingegen demonstrieren nicht nur kollektiv - sie gehen auch die Reformen kollektiv an. Regierung und Opposition arbeiten zusammen, um das Land zu sanieren.
Was in Griechenland unvorstellbar wäre, funktioniert in Portugal reibungslos: Wenn die Steuern erhöht werden, dann werden sie auch eingetrieben.
Trotzdem gerät Portugal an seine Grenzen: Gerade weil das Land die Sparvorgaben diszipliniert umsetzt, spart es sich in eine Rezession. Auch Portugal wird einen Schuldenschnitt und ein zweites Hilfspaket benötigen.
Doch anders als in Griechenland wird dies kein monatelanger Kampf werden. Stattdessen ist schon jetzt abzusehen, dass die EU die Hilfen willig gewähren wird. Denn in Portugal gibt es verlässliche Ansprechpartner, die kollektiv handeln. Das zeigen auch die Demonstranten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften