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Kommentar SchuldenbremseJenseits der Normallage

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Eine Schuldenbremse ist sinnvoll. Aber dann muss man sie auch richtig machen und die Neuverschuldung nicht nur einfach ein wenig verlangsamen.

Bild: privat

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der Taz.

Eine Schuldenbremse im Grundgesetz ist sinnvoll. Derzeit müssen im Bundeshaushalt jedes Jahr 42 Milliarden Euro nur für Zinsen (ohne Tilgung) aufgewendet werden. Und auch die Landeshaushalte ächzen unter der Zinsbelastung. Dazu kommt, dass dieses Geld nicht in sinnvolle Ausgaben investiert werden kann, zum Beispiel in Bildung, Soziales und Klimaschutz.

Während die von Union und FDP geforderten Steuersenkungen die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates verringern, ist eine Schuldenbremse nicht unsozial, weil sie die Handlungsfähigkeit der Politik langfristig sichert. Leider ist eine strenge Schuldenbremse auch notwendig, weil es der Politik bisher - entgegen allen Versprechungen - nicht gelungen ist, eine antizyklische Haushaltspolitik zu machen.

Das sinnvolle Modell des linken Wirtschaftswissenschaftlers Keynes sieht vor, dass der Staat in Zeiten der Krise die Nachfrage stützen muss und dafür Kredite aufnimmt. Keynes erwartet jedoch auch, dass die Kredite im Aufschwung zurückgezahlt werden.

Das aber funktioniert seit 40 Jahren nicht. Grund dafür ist nicht zuletzt die hohe Arbeitslosigkeit. Solange es selbst bei guter Konjunktur noch 3 Millionen Erwerbslose gibt, scheint es der Politik nicht möglich, die Staatsausgaben so zurückzufahren, wie es haushaltspolitisch notwendig wäre.

Auch das Modell, das am Freitag im Bundestag diskutiert wurde, stellt nicht sicher, dass Keynes Grundsätze künftig richtig angewandt werden. Die Neuverschuldung wird nur verlangsamt und kommt bestenfalls ins Stocken. Ein Abbau der hohen Schuldenlast ist nicht vorgesehen. Also bleibt auch die hohe Zinsbelastung des Bundeshaushalts.

Doch selbst die eher bescheidenen Ziele der Schuldenbremse sind gefährdet. Neue konjunkturbedingte Schulden sollen nämlich nur bei guter Konjunktur jenseits der "Normallage" getilgt werden. Es kommt also sehr darauf an, was letztlich als Normallage definiert wird.

Es ist zu befürchten, dass es letztlich kaum Zeiten geben wird, in denen auch nur die neuen Schulden getilgt werden müssten. Keynes würde das jedenfalls nicht gefallen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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2 Kommentare

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  • DI
    Dr. Ingolf Schröder

    Sehr geehrter Herr Rath,

     

    ich gebe meinem Kommmentarvorgänger recht. Aber ohne weitere Hinweise ist sein Beitrag nicht sehr überzeugend. Ich möchte hiermit den Versuch unternehmen, ihnen ein paar Informationen oder Denkanstöße zu geben, in der Hoffnung, dass Sie ihre geäußerte positive Meinung über die Schuldenbremse überdenken.

     

    Auf den ersten Blick hört es sich natürlich verführerisch an, durch Sparen davon weg zu kommen, dass der Staat nennenswerte Teile seines Haushalts für Schuldentilgung oder gar Zinslast verwenden muss. Doch was für einen Durchschnittsverdiener-Haushalt das Angebrachte ist, ist auf den Vielmillionen-Akteurs-Staatshaushalt nicht ohne weiteres übertragbar. Auch wenn die Mainstream-Medien - und mit diesem Kommentar waren sie ein Teil davon - dies landauf landab glauben machen möchten.

     

    Der Staat ist eben nicht ein gleichgroßer unter zig-Millionen Haushalten, sondern mit einem Haushaltsvolumen von ~300 Mrd. Euro der bei weitem größte "Investor" im Land, noch dazu mit enormer Vorbildwirkung:

    Wenn der Staat mal eben, um Schulden abzubauen, 30 Mrd. Euro einsparen wollte, würde er damit gleichzeitig, sagen wir 30 Mrd. Euro geteilt durch gut gerechnet 50.000 Euro Jahresgehalt gleich 600.000 Arbeitsplätze weniger finanzieren. Hatten sie in den letzten Jahren den Eindruck, dass die ins Land geholten ausländschen Investoren beispielsweise bei Grohe, Märklin, Schießer und wie sie alle heißen, solche Szenarien mehr als nur wettmachen?

    Um genauer in die Zusammenhänge einzusteigen, wünsche ich Ihnen einige Stunden Zeit, um die zugehörigen Zusammenhänge detailierter in den ww.nachdenkseiten.de nachzulesen (Suchfunktion benutzen: Keynes, Schuldenbremse, Sparen, Konjunkturpaket, Makroökonomie, Nachfragepolitik, Angebotspolitik)

     

    Und auf einen zweiten Gedankengang möchte ich sie noch bringen:

    Eine gute Konjunktur ist für hohe Steuereinnahmen und damit möglichst hohen Staatshaushalt die beste Voraussetzung. Doch der Staat nimmt durch seine Steuerpolitik wesentlichen Einfluss auf die Verteilung der Lasten. Folgend dem Glaubensmantra der vergangenen Jahre (fast Jahrzehnte) "Die Gewinne der Unternehmen sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen" hat der Staat in den letzten Jahren die Besteuerung von Unternehmen und sonstiger Geschäftstätigkeit drastisch herunter gefahren. Studium des verfügbaren Zahlenmaterials würde das Mantra jedoch widerlegen. Das den Investoren und Unternehmen gelassene Geld wurde entweder (soll ich sagen "bestenfalls"?) in weitestgehend steuerfreie Niedriglohnjobs oder - unversteuert - in den internationalen Finanzsektor gesteckt. Das heißt, auf die möglichen hohen Steuereinnahmen in guten Zeiten hat der Staat freiwillig weitgehend verzichtet. Hiermit hätte man schon Schulden abbauen können.

    Und wenn Sie zu diesem Aspekt noch weitere Stunden investieren können, empfehle ich Ihnen die Lektüre der Untersuchung des Langenhagener Zahnarztes Dr. Petschow http://www.egon-w-kreutzer.de/Petschow/Einleitung.html, der detailiert dargelegt hat, was in diesem Lande noch schneller wächst, als die immer wieder zitierte Staatsverschuldung (durch angeblich zu hohe Soziallasten): Nämlich die Zinslast insgesamt (staatlich und privat), die in sämtlichen Krediten zusammen steckt. Und wer kriegt die eigentlich? Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich Ihrem journalistischen Scharfsinn.

     

    Mit freundlichem Gruß

    Dr. Ingolf Schröder

  • F
    Frank

    ...da hat aber jemand den keynes nicht gelesen oder vollkommen unzureichend verstanden.