Kommentar Schotterer vor Gericht: Verknackt sie alle!
Hunderte mutige Menschen bekannten sich 2010 zum Schottern, doch die Konsequenzen will die Szene nun nicht tragen. Dabei kann man Knast als Ehre verstehen.
K ampfesmutig schlugen sie sich vor die Brüste, als im Frühjahr 2010 in linken Kreisen die Idee zum „Schottern“ entstand: Hunderte Menschen bekannten sich damals mit ihrem Namen öffentlich zu Gleisdemontagen beim Castor-Transport. Das Motto: Richtig was machen – und dazu stehen. Über 1.500 Menschen unterschrieben damals diese Idee. Nun gab es den ersten Prozess gegen einen Unterzeichner – und wie immer klagt die linke Szene über ihre „Kriminalisierung“.
Das ist albern. Im Interesse aller Beteiligten muss es stattdessen lauten: Verknackt sie alle!
Politische Kämpfe sind, anders als es in Deutschland manchmal wirken kann, keine bloßen Spielplätze für Grenzüberschreitung. Ihre Akteure müssen, wenn sie Relevanz beanspruchen, die Konsequenzen ihres Handelns in Betracht ziehen. Es war richtig, mutig und legitim, aktiv zum Schottern aufzurufen. Das taten die, die diese Liste damals unterzeichneten. Legal war es hingegen nie. Im Gegenteil: Die Stärke der Kampagne ergab sich erst aus dem Verbotenen.
ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen und twittert unter @martinkaul.
Seit solche kollektiven Grenzübertritte in den letzten Jahren verstärkten Zulauf erhalten und die Justiz, logisch, verstärkt gegen sie vorgeht, debattiert auch die linke Szene darüber, wie damit umzugehen sei. Ihre Reaktion lautet jedoch weiterhin: vorher große Fresse, später traurig jammern.
Dies ist Ausdruck eines Verständnisses von Gestern, das politische Akteure nur als Opfer aller Verhältnisse begreift. In anderen Ländern werben politische Kampagnen offensiv damit, wieviele Aktivisten sie „in den Knast gebracht“ haben. Denn die Konsequenz des eigenen Tuns zu tragen unterstreicht die Legitimität der Handlung.
Die Schotter-Kampagne hätte das Zeug gehabt, diesen Schritt aus der Unmündigkeit in Deutschland zu gehen. Stattdessen verabschieden sich ihre Sympathisanten wieder in eine Opferrolle, die zweierlei Probleme mit sich bringt: Erstens ist sie erlogen. Zweitens steht sie ihnen schlecht.
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