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Kommentar Schengen-AbkommenEin Notfall namens Fremdenfeindlichkeit

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Das neue Schengen-Abkommen wurde von Deutschland und Frankreich durchgesetzt. Nicht die Fremden sind der „Notfall“ in Europa, sondern die Fremdenfeindlichkeit.

M it pompösen Worten wird Europa immer dann beschworen, wenn es um den Euro geht. Denn diese „Säule der EU-Integration“ garantiert den Erfolg der Exportnation Deutschland. Bei einer anderen Säule Europas sind die Hemmungen, die Abrissbirne zu betätigen, deutlich niedriger: „Im Notfall“ sollen die EU-Staaten ihre Binnengrenzen wieder eigenmächtig kontrollieren dürfen – das haben Deutschland und Frankreich gegen heftigen Widerstand aus Brüssel durchgesetzt.

Als Notfall soll gelten, wenn die EU-Außengrenzen, etwa in Italien oder Griechenland, nicht ausreichend gesichert werden. Was als „nicht ausreichend“ anzusehen ist, entscheidet man in Paris und Berlin nach Gutdünken. Es ist abzusehen, dass ein striktes Grenzregime entstehen wird. Denn in den letzten Jahren wurde die Zahl der ankommenden Papierlosen stets als dramatisch hoch empfunden.

Dieser gefühlte Ansturm entspricht jedoch nicht den Realitäten. 2011 sind nur 140.000 Menschen illegal in das Schengen-Gebiet eingereist, 147.000 wurden gleichzeitig ab- oder zurückgeschoben. Frontex funktioniert also schon jetzt, die tödlichen Folgen inklusive.

Christian Jakob

ist Redakteur bei taz1.

Zudem reisen viele illegal ein, weil ihnen der legale Zutritt verwehrt wird. Das restriktive Visaregime macht es fast unmöglich, nach Europa zu gelangen. Dabei haben nur die wenigsten vor, auf Dauer zu bleiben. Viele wollen einfach nur vorübergehend einer Arbeit nachgehen.

Statt einen herbeifabulierten Flüchtlingsstrom zu stoppen, ging es Deutschland und Frankreich wohl vor allem darum, die innere Statik der EU zu verschieben: Die Kompetenzen der Einzelstaaten wachsen, während die EU-Kommission – die Schengen nicht verwässern wollte – nun Macht abgeben muss.

Gleichzeitig werden Frankreich und Deutschland den Dauerstreit mit den Peripheriestaaten los. Seit Langem beklagen Italien und Griechenland, dass sie bisher allein dafür zuständig waren, die illegalen Einwanderer abzufangen. Diese sehr kommode Regelung mussten Berlin und Paris zuletzt gegen immer stärkeren Druck verteidigen. Jetzt sind Rom und Athen wieder in der Defensive, denn Deutschland und Frankreich verbreiten die Legende, nur weil die Peripheriestaaten so unfähig seien, müsse Europa seine schöne Freizügigkeit aufgeben.

Nicht die Fremden sind der „Notfall“ in Europa. Vielmehr ist es die Fremdenfeindlichkeit.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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12 Kommentare

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  • N
    Neumi

    " Dabei haben nur die wenigsten vor, auf Dauer zu bleiben. Viele wollen einfach nur vorübergehend einer Arbeit nachgehen."Schauen Sie sich doch mal die Arbeitslosenzahlen in Griechenland,Spanien und dem Rest Süd und Osteuropas an!!!(Armutswanderung aus Rumänien,Bulgarien)Da brauchen wir keine schlecht ausgebildeten Leute vom Rest der Welt,die nur mal eben kurz arbeiten wollen!!!

  • AD
    Ahmet der Doische

    @meinnameisthase

     

    Ooooooh, Sie armer armer doischer Last Hero!

    Mir kullerten bei Ihren arischen Zeilen vor islamischem Mitgefühl die türkischen Tränen die Wange herunter.

     

    Sie haben es ja auch wirklich schwer: Laut Ihres eitrigen Nachrichtenorgans "PI-News" (und anderem Nazidreck) darf der Doische ja nie seine Meinung sagen und wird gnadenlos von den rotzgrünen 68er linksradikalen Gutmenschen zensiert (die ihrerseits von uns islamisierenden Moslems kontrolliert werden) und Sie armer arischer Germane werden ständig als Nazi beschimpft und mit der Nazikeule niedergemacht - habe ich irgendwas vergessen?

     

    Wenn wir Türkenmoslems erstmal auch die taz kontrollieren, dürfen Sie Ihre geschätzte Meinung auch hier nicht mehr äussern. Mein türkisches Wort drauf, Sie armer Doischer.

  • V
    vic

    "Nicht die Fremden sind der „Notfall“ in Europa. Vielmehr ist es die Fremdenfeindlichkeit."

    Verdammt richtig.

    Einmal mehr schäme ich mich meines Heimatlandes.

  • M
    meinnameisthase

    @Thomas Sch.

    Selbstbehauptung ist laut der Multi-Kultis Fremdenfeindlichkeit! Eben weil das eigentliche Ziel die Zerstörung des Eigenen ist. Diese Anti-Rassisten werden niemals einen Saudi-Araber der keine Afrikaner in seinem Land und seine Frau bei seinen 5 Kindern sehen will als Rassisten oder Sexisten bezeichnen. Dieses Privileg steht nur uns Europäern zu. In Berlin treffen sich wöchentlich radikalste türkische oder kurdische Nationalisten. Die Antifa würde ihnen sogar die Getränke spendieren während sie über reines türkisches Blut fabulieren. Die Nazikeule trifft ausschließlich jeden Deutschen der es wagt eine eigene Ansicht zu haben, die nur minimal von vom linken Mainstream abweicht. Immer mehr Linke erleben das zur Zeit.

  • PB
    PI bash

    Haha, hat der PI-Zoo wieder Auslauf? Manchmal glaub ich, es gibt eine Herde von Bots, die geschrieben wurden, um alle Artikel die mit den einschlägigen Themen zu tun haben gleich angemessen mit Kommentaren zu überziehen, in Verteidigung des Abendlandes gegen die böse "Vorherrschaft der linken Gutmenschen" und die Horde von Barbaren "Wirtschaftsflüchtlingen", die daherkommen uns auszubeuten. Abgesehen davon, dass ich mich immer frage, was die von diesen Leuten so vielgescholtenen Politiker_innen nach deren Meinung denn noch machen sollen, eigentlich haben die es ja schon so unwürdig wie nach geltendem Recht (und manchmal auch darüber hinaus) irgend möglich. ja, alle abschieben mindestens, klar. Zum Glück gibt es noch eine dünne Schicht von Solidarität, die wirkt. Bröckelt aber grad heftig an allen Ecken und Enden. Schade um Europa und die mir eigentlich am Herzen liegende (mindestens) europäische Idee. Aber goldene Türme stehen nicht endlos, und solange überall die gleiche Scheiße weitergemacht wird und jeder auf seinem eigenen Häufchen sitzt, hört die Scheiße auch nicht auf, wird nur manchmal umgewälzt.

    Bei dem Geblöcke von PI und Co kann ich mir nicht helfen, manchmal zu wünschen, dass sich Deutschland doch bitte noch etwas schneller abschaffen tät.

  • AD
    @alle, die hier ständig nazikeulen herbei reden

    getroffene hunde bellen

  • B
    Bernd

    Hihi, der Artikel ist ja echt zum Kringeln - richtig knuffig, wie hier fröhlich die immer passende Nazi-Keule geschwungen wird. Herrlich - absolut beschissener Journalismus, aber ganz große Kunst!

    Danke, Christian Jakob - seit heute offizieller Träger des schwarzen Gürtels im Nazi-Keule-Schwingen!

  • D
    Dirk

    Was ich durch den Artikel des Schreibers, der natürlich ein viel edlerer und besserer Mensch ist als wir, erfahren habe, ist, dass Frontex ja doch einigermaßen funktioniert. Dafür mein Dank!

  • G
    Gumpeltran

    Ganz meine Meinung: vor dem Schreiben mal das Gehirn einschalten. Einfach mal nachdenken. Ist das zu viel verlangt, oder ist das an sich schon fremdenfeindlich?

  • T
    Trash

    Mal kurz eine Untat begehen und dann wieder ins Heimatland abhauen-,das ist auch das Schengener Abkommen. Bevor das Schengener Abkommen getroffen wurde ist jedenfalls nicht so viel eingebrochen worden und Drogendealer und Zwangsprostitution gab es auch nicht zuhauf. Man weiß ja welche Idioten das zu verantworten haben, nämlich die, deren Hab und Gut vorbildlich bewacht wird.

  • TS
    Thomas Sch.

    Man kann dieser Meinung sein, daß das Schließen einer Tür Feindlichkeit bedeuten soll. Ich würde eher Schutz und Selbstbehauptung zum Abschließen einer Tür sagen. Schauen Sie: Auch ich schließe nachts die Haustür ab, damit meine Familie sicher die Nacht verbringen kann. Ich könnte die Tür auch aufstehenlassen. Was könnte passieren ? Haben morgens Einbrecher (oder dann eher Hereinkommer) was mitgenommen ? Liegen im Wohnzimmer fremde Leute oder sitzen gar schon in der Küche und essen meinen letzten Blaubeerjoghurt ? Je weiter weg ein Problem stattfindet, desto leichter ist es schlau daherzureden. Von hier aus andere zu beschimpfen, aber selber nachts die Wohnungstür auch zumachen. Wie isses, Herr Jakob ? Mal eine ehrliche Antwort bitte: Schließen Sie Ihre Wohnungstür nachts ab ? Falls ja, wüßten wir hier alle gerne, warum.

    Nun blubbern Sie hier nicht rum von wegen, man könne das nicht vergleichen, denn das kann man sehr wohl. Die Wohnung in Kleinen schützt mich nämlich vor "unliebsamen" Überraschungen. Das hat die Grenze früher auch getan. So wie ich in meine Bude nur den hereinlasse, der mir vertrauenswürdig erscheint, genauso möchte ich bestimmen dürfen, wer ins Land kommt. Kommen Sie mir hier nicht mit der Nazikeule. Ich bin mit einer dunkelhäutigen Sri Lankanerin verheiratet, mein Großvater war noch Österreicher und Teile unserer Familie wohnen beispielweise in Schweden oder den USA. Was Sie nicht auseinanderhalten können ist, daß Selbstbehauptung noch lange keine Fremdenfeindlichkeit ist. Die Saudi-Araber nehmen sich das Recht (in ihrem eigenen Land) heraus, Nicht-Muslimen den Zugang zu Mekka zu verbieten. Fremdenfeindlich ? Oder dürfen die das ? Na, Herr Jakob, kommen Sie da immer noch nicht ins Grübeln ?

  • W
    willy

    Jenau, Keiner will bleiben, aber Alle liegen hier in der Hängematte!