Kommentar Schäubles EU-Reformpläne: Kontrolle ja, aber demokratisch
Schäubles Grundidee ist richtig, die Art und Weise ihrer Präsentation nicht. Auf jeden Fall fehlen die Instrumente für eine aktive EU-Wirtschaftspolitik.
V om Stil her kann man es wirklich nicht schlechter machen: Kurz bevor die höchsten Vertreter der europäischen Institutionen an diesem Donnerstag ihre Vorschläge für die Weiterentwicklung der EU vorlegen, prescht der deutsche Finanzminister schon mal vor, erklärt die Pläne der anderen für unzureichend und präsentiert einen weiter gehenden Alternativplan.
So bestärkt man das Bild von der deutschen Überheblichkeit und stößt alle potenziellen Partner vor den Kopf. Das ist bedauerlich, denn die Grundidee von Schäuble ist richtig: Eine gemeinsame Währung zwingt zu einer gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftspolitik.
Und die ist nur zu erreichen, indem die nationale Ebene Kompetenzen abgibt und sich einer stärkeren europäischen Kontrolle unterwirft.
ist Redakteur für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er twittert unter MKreutzfeldt.
Fragwürdig ist allerdings der Weg, auf dem Schäuble dies Ziel erreichen will. Zum einen ist das Modell eines EU-Kommissars mit Vetorecht über die nationalen Haushalte eine sehr einseitige Vorstellung von Haushaltspolitik, die faktisch auf das Durchsetzen von Sparprogrammen hinauslaufen wird.
Instrumente, die eine aktive Wirtschaftspolitik ermöglichen würden, etwa eigene EU-Steuern, fehlen in Schäubles Konzept ebenso wie eine gemeinsame Schuldenhaftung als logische Fortsetzung der gemeinsamen Währung.
Zum anderen schwächen Schäubles Ideen die Demokratie in Europa: Rechte, die bisher bei nationalen Parlamenten liegen, würden auf EU-Ebene zur Kommission und damit zur Exekutive verlagert. Wenn Europa aber mehr Macht bekommt, dann muss das EU-Parlament dabei eine zentrale Rolle spielen. Alles andere dürfen sich weder Bürger noch Verfassungsgerichte gefallen lassen.
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